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Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Estiennes : (Schluß) : 2. Aufhebung des Edicts von Nantes und Flucht aus Frankreich 1685.
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148 Ans den Donkwiirdigkeitcn Jäkel' Lstienncs.

Als dies geschehen und wir nene Kraft erhalten hatten, inarschirten wir bis nach dem Dorfe Blisbach, eine Stunde von Hamburg, Es war sv dunkel, daß wir wohl die Blise hörten, aber doch keine Brücke sahen, um hinüber zu kommen. Da wir sahen, daß unser armer Wegweiser ganz verwirrt war, so legten wir uns auf die Kniee und suchten diese elende, aus zwei Brettern znsammengesetzte Brücke, Endlich fanden wir sie mit den Händen, und als wir aufgestanden waren, kamen wir zitternd, doch glücklich hinüber. Wir gingen quer durchs Dorf, wo fast alles schon aufgestanden war und sich mit Kvrndreschen beschäftigte, dessen Geräusch uns günstig war.

Wir fuhren fort zu gehen bis es Tag wurde und wir müde und ermattet ei» Haus erblickten, wohin wir uns zurückzogen, nnd an den Reden erfuhren, daß wir uns auf bekanntem Boden befänden, Sie vermutheten, daß wir die Männer von den Frauen wären, welche diese Nacht hier abgereist waren. Dies sagten sie uns, und zugleich auch, daß sie wegen der Häscher, die hier umhergeschweift, iu Sorge wären. Dies versetzte uns iu Kummer, besonders meinen Schwager. Ich verlor jedoch deu Muth nicht, sondern überlegte, daß nach einem Marsche von mehr als zwölf Stunden wir Nahrungsmittel und Ruhe bedürften. Ich bat daher um ein Frühstück, und als ich meiner Gesellschaft wieder Muth eingesprochen hatte, machten wir eine gute Mahlzeit. Darauf warfen wir uns in einer abgelegnen Kammer aufs Strvh und meine auf dem Leibe trocken gewvrdncn Kleider hinderten mich nicht, fest einzuschlafen. Die andern thaten desgleichen bis 1 oder 2 Uhr Nach­mittags. Ich wurde von einem Diener unsers Jägers geweckt, der mich versicherte, unsre Frauen sein glücklich diesen Morgen zu Kaiserslautern angekommen, sein Herr würde uns dieses bald selbst bestätigen; ich schenkte ihm einen halben Louisd'or für seine gute Nachricht. Hier bezahlten wir unsern Wegweiser und schickten ihn zurück; eine Stunde nachher sahen wir deu Herrn des Hauses ankommen, welcher uns umarmte und die Nachricht seines Dienes bestätigte. Als wir wegen der Möglichkeit, zu unsern Frauen zu kommen und wegen der Sicherheit unsrer Per­sonell besorgt waren, versicherte er nns, daß wir nichts zu befürchte» hätten und daß er uns diesen Abend mit seinem auch noch kommenden Freunde be­wirtheu werde, daß wir hierauf uns ausruhen könnten, bis er uns wecke, und daß er und sein Freund uns noch vor Tage zu unsern Franen führen würden. Nachdem wir also den Abend wohl gegessen hatten, legten wir uns zur Ruhe und wurden dann nach einer Stunde wieder aufgeweckt. Unsre Pferde waren bereit und wir reisten ab, unser Wirth und sein Freund wohl bewaffnet und wir in unsern Lumpen, unser Wirth voran, dann wir und der Freund hinter­drein, immer im Galopp uud im dunkeln. Beim Aubruche des Tages kamen wir vor den Thoren von Kaiserslautern an, wo wir beinahe eine Stunde blieben,