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Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Estiennes : (Schluß) : 2. Aufhebung des Edicts von Nantes und Flucht aus Frankreich 1685.
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Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lstiennes.

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Metz an, und zu gleicher Zeit auch die Befehle, unsre Kirche zu zerstören. Der Intendant ließ selbigen Abends die Schlüssel derselben holen und verbot, sich am andern Tage darin zu versammeln. Da sich diese Nachricht verbreitet hatte, versetzte sie unsre arme Gemeinde in die äußerste Trostlosigkeit. Ich befand mich in diesem Augenblicke bei meinem Vater, welcher, nachdem er sich sehr mit einem auch gerade anwesenden Gevatter betrübt hatte, mir mehrere Auswege vor­schlug, welche mir nicht so wohl gefielen als derjenige, den ich im Sinne hatte. Ich wünschte ihm also gute Nacht. Als ich hierauf mit meiner Frau hierüber gesprochen, welche ganz meiner Gesinnung war, d. h. entschlossen, alle unsre Güter zu verlassen, um ein ruhiges Gewissen zu behalten, so legten wir uns mit diesem Entschlüsse schlafen und nahmen früh am Sonntag Morgen unsre beiden sehr einfach gekleideten Kinder an die Hand und begaben uns nach einem Thore der Stadt, um von da nach St. Julien zu gehen, welches gleichsam die Vorstadt ist und wo meine Schwiegermutter ein Landhaus besaß. Wir erfuhren unterwegs die Neckereien mehrerer Papisten, welche schon unsers Un­glücks spotteten. Sobald wir in dieses Haus kamen, ließ ich daselbst meine Frau und Kinder und kehrte zur Stadt zurück, um ihnen durch meine Magd unser Silbergeschirr und ein wenig Leinenzeug zu schicken, weil ich nicht wagte, viel davon zu schicken aus Furcht bemerkt uud angehalten zu werden. Vater, Mutter und Schwiegermutter thaten alles mögliche, um mich zurückzuhalten, indem sie mir vorstellten, daß ich, wenn trotz dem Verbote bei der Auswanderung ergriffen, nach den Galeeren und meine Frau in ein Kloster geschickt würde, von dessen Wahrheit ich auch überzeugt war.

Gott gab mir jedoch die nöthige Festigkeit, um diesen Stürmen zu wider­stehen. Da dies mein Vater sah, sagte er mir: Wohlan, mein Sohn, ich bitte Gott, daß er dich begleite, und dich, daß du deinen kleinen Bruder mit dir nehmen und Sorge für ihn tragen mögest, welches ich mit Vergnügen annahm. Dies war das kleinste seiner Kinder und ungefähr elf Jahre alt; man führte ihn dahin, wo sich meine Frau befand, und nachdem ich alles zu mir genommen hatte, was ich an Gelde zu Hause hatte, folgte auch ich ihm dahin. Ich fand daselbst auch meiuen Schwager Blancbois, seine Frau und ihre vier Kinder. Derselbe hatte einen Wagen holen lassen, wohinein wir unsre Frauen und Kinder setzten. Darauf machten wir uns fertig, ihnen zu Fuße zu folgen.

Da der Meier meiner Schwiegermutter sah, daß es ernst war, so gab er uns sein Erstaunen zu erkennen über unsern Entschluß, alles zu verlassen und uns selbst so auszusetzen, denn er war Papist, jedoch ein guter Mann. Wir er­klärten ihm aber, daß wir unsern Entschluß nicht ändern würden, und als wir ihm Adieu gesagt hatten, nahmen wir unsern Weg nach Courcelles, einem gnten