Beitrag 
Altenglische Dramatiker.
Seite
511
Einzelbild herunterladen
 

Altenglische Dramatiker.

511

Shakespeares materiellem Glück noch nicht ganz klar ist, so bewies er doch wenig später die Möglichkeit, nuch unter den Voraussetzungen seines verachteten Standes zu gedeihen. Freilich fiel bei einer so raschen Entwicklung, wie es die des alt­englischen Theaters nnd Dramas war, ein Jahrzehnt gar sehr ins Gewicht. Die Dichter der zweiten Generation fanden schon veränderte Verhältnisse, die Existenz des Theaters galt, dem fanatischen Eifer der Puritaner zum Trotz, als gefestigt, die Theilnahme der Aristokratie und gewisser bürgerlichen Kreise war gewachsen, nach dem Tode der Königin Elisabeth, die sich immer spröde nnd schwankend einer Nationalbühne gegenüber gezeigt hatte, welche den Anforderungen ihrer classischen Bildung so wenig entsprach, gewann die hervorragendste Schauspieler­truppe ein wenigstens äußerliches Verhältniß zum Hofe, und mit der seit dem Beginne des 17. Jahrhunderts ersichtlich zunehmenden Publication erfolgreicher und hervorragender Dramen wurde unmerklich auch das Verhältniß der Schcm- spicldichtung zur Literatur in günstiger Weise geändert.

Freilich darf man sich nun nicht vorstellen, wie es das Bedürfniß einzelner Shakespcarcenthusiasten zu sein scheint, daß das englische Drama und seine Träger in dem London König Jacobs etwa eine Stelle eingenommen hätten, wie das attische Drama und seine großen Dichter in den Tagen des Perikles oder auch uur das spanische in denen Calderons und Philipps IV. Die starre, unversöhnliche Feindschaft der Puritaner milderte sich nicht, und die enthusiastischen Bewundrer der dramatischen Dichtung wie der Bühne bewahrten doch eine gemischte Reserve und mancherlei Vorurtheile der Respcctabilität gegenüber der Phantasie und der Vretterwelt. Auch in der Zeit des höchsten Glanzes des altenglischen Theaters, in dem Menschenalter zwischen Shakespeares Tod und der Aufhebung der Bühne durch das siegreiche lange Parlament, blieb die äußere Stellung der dramatischen Dichter mannichfach beengt und bedrückt, und nur lvo günstige, vom Talent und vom poetischen Streben ganz unabhängige Momente hinzutraten, konnte einer und der andre zu gesellschaftlichem Ansehen und Wohlstand gelangen. Soweit sich die Lebcnsgeschichte der großen Zahl beliebter Dramatiker aufhellen läßt, wird diese Thatsache überall bestätigt.' Sie konnte jedoch die innere Nöthigung des echten Talents und den dämonischen Zug, welcher den Menschen zur Aus­übung seiner eigensten Fähigkeit drängt und zwingt, noch bei Seite gesetzt kaum jemand abhalten, sich der dramatischen Dichtung als Berns hinzugeben. Wie viele Menschen duuklen Ursprungs und lediglich mit geistigen Vorzügen begabt, gelangten denn in jenen Tagen überhaupt zu einer begünstigten Lcbens- » stellung? Selbst die Preise, die in der Theologie und der Rechtsgclehrsamkeit dem Strebenden winkten, waren selten hoch, die gedrückte, bedrängte, leid- und wechselvolle Existenz für die mittleren Schichten viel mehr als wir uns heute