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Bertuchs Briefe an Gleim.
Gott was gab ich drum, könnt ich nur diesen Abend bei Ihnen seyn.
Meinen besten Hcrzensgruß an meine liebste Schwester Glemindc, v, Stcmun- ford und Schmidt. Lebt wohl meine Besten und denkt an Enre Armen W, und B,
Eine Bitte, liebster Theuerster Gleim! Schreiben Sie nicht gleich wieder; wenigstens nicht an W,, sondern nur an mich. Zweitens verbrennen Sie diesen und die folgenden meiner Briefe ja ja gleich wenn Sie sie gelesen haben, damit sie in keine unrechten Hände kommen. Nur unter dieser Gewißheit kann ich ohne Schleyer an Sie schreiben.
Wielands Weibchen bittet Schwester Glcminden nm das Recept, grüne Erbsen einzumachen.
12. Bertuch au Gleim. Weimar, den 7. Juli 1775.
Nur einen fliegenden Zettel dießmal, liebster Herzens Vater, als Umschlag um unsers Wieland Brief, der Ihnen vielleicht mehr sagt, als ich itzt kann. — Vorige Woche war heiß, schrecklich heiß für uns. Wieland hat gekämpft wie ein Halb-Gott, das Herz des armen verstrickten Carl Augusts aus den Netzen eines gefährlichen Mannes herauszuarbeiten. Glücklicherweise war dies eben auch der Zweck der Mutter, aber ihre Hitze übereilte ihre Schritte, die, langsamer gethan, sicherer gewesen wären. Das Resultat davou ist, Graf Görz ist vorigen Sonnabend verabschiedet, aber durch die Uebereilung dieses Schrittes vielleicht gerade Carl Augusten als ein unschuldig Leidender vorgestellt; nnd so wäre am Ende nichts gethan. Der große Hauptpunkt auf den nun alles ankommt, ist die Wahl der neuen Minister; ist die nicht gut, so schlägt man dem Herzog abermals die Thür zum Tempel des Glückes bor der Nase zu. Ich spreche unserm Wieland täglich neuen Muth zu, unsern Herkules auf dem Scheidewege nicht zu bald zu verlaßen; und er hats warlich oft nöthig. Gott! hätten doch nur die Sachen schon nusge- gohren, daß man einmal deutlich seheu könnte, was zu thun oder nicht zu thuu sey. Nichts — itzt fühl ichs — nichts ist auf der Welt marternder als Ungewißheit. Noch immer bin ich geneigt mein liebes Halberstadt als den Hafen auznscheu, wohin wir beyde, Wieland und ich, uns aus diesem Orkan retten. Ich schmachte recht nach Ihrem nächsten Briefe, lieber Vater Gleim.
Von Halladat hab ich beynahe alle 40 Exemplare vertrieben. Einige wenige sind mir noch übrig, die ich auch noch anzubringen hoffe. Die gute kleine Sunne- mann — welche itzt mit ihrer Mutter auf 4 Wochen in Lauchstedt ist, hat mir treulich dabey geholfen.
Tausend Dank dem herzlichen Stammford für seinen warmen Brief; er war ein Tropfen Thau auf mein trocknes Herz; aber antworten kann ich ihm itzt unmöglich; mein armer Kopf ist ganz zerrüttet.
O liebster Herzens Vater, was gäb ich drum von itzt an nur 3 Wochen bey Ihnen zu seyn, da wär ich ein fertiger Mann! bey Ihnen, bey Schwester Gleminden, bey Stammford", beym Vater Dom Dechant,*) tausend Empfehlungen an ihn! — bey Schmidt! Ach ich mag's nicht denken! Aber littens auch meine eignen Geschäfte, kann, darf ich meinen Wicland vcrlaßen? itzt da ich sein einziger Freund bin? Nimmer! Nein, nie soll mnn's Ihrem Bertuch uachsageu, daß er seinen Freund verlnßen habe.
SpiMl zum Desenberne.