Literatur.
Gotthold Ephraim Lessing, Sem Leben und seine Werke, Von Th, W, Danzel und G. E, Gnhrauer, Zweite, berichtigte und vermehrte Auflage, Herausgegeben von W, von Mathahn und R. Boxberger, Zwei Bände, Berlin,
Th. Hofmann, 1330—31,
Wenn irgend ein Buch den Anspruch erheben darf, als würdige Gabe zur Säcularfeier von Lessings Todestag zu gelten, so ist es die neue Ausgabe der classischen Lessingbiographie von Danzel und Guhrauer. Hoffentlich ist dieser zweiten, in neuem Verlage erschienenen Auflage ciu günstigeres Loos beschieden als der ersten, deren Geschichte traurig genug ist. Der erste Band des Werkes erschien vor 31 Jahren, im Frühjahr 1350; kurz darauf, am 9. Mai 1350, erlag der Verfasser, der an der Leipziger Universität Privatdoeent war, im Alter von 32 Jahren einer tückischen Krankheit, Das von ihm hinterlassene Material zur Fortsetzung des Werkes wurde vom Verleger dem Professor Guhrauer in Breslau übergeben, der schon gleichzeitig mit Danzel seinen Aufenthalt und seine Stellung — er war zugleich Custvs au der Universitätsbibliothek in Breslau — zu Forschungen über Lessings Leben und Schriften benutzt hatte. Dieser bearbeitete den zweiten Band des Werkes in zwei Abtheilungen, von denen die erste 1353 herausgegeben wurde. Aber ehe noch der Druck der zweiten Abtheilung beendet war, starb auch Guhrauer, am 6, Januar 1854, im 45, Lebensjahre,
Bei der zunehmenden Scheu des „Volks der Denker" vor gründlichen, umfassenden Monographien brach sich das monumentale Werk, das feuilletonistischcn Neigungen nicht die geringsten Concessionen machte, nur langsam Bahn, obwohl es bei der compctenten Kritik die größte Anerkennung gefunden hatte. Bald darauf kam Adolf Stahr auf den klugen Einfall, das Bnch zn „popularisireu." Er schabte das weichste Fleisch heraus uud bereitete es iu einer damals für schmackhaft geltenden, heute kaum noch zu gontircndcn Sauce, und die Stahrsche „Lessingbivgraphie," die zuerst 1359 erschien, ist denn bis jetzt dein deutschen Publicum glücklich in acht Auflagen „in die Hände gespielt" worden. Aber nicht genug damit: als 1877 in London ein englisches Werk übcr Lcssing von James Simc erschien, eine zwar fleißige, verständnißvollc nnd von aufrichtigster Begeisterung eingegebene Arbeit, die aber natürlich vollständig von Danzcl-Guhrauer abhängig und außerdem nur für das englische Publicum berechnet war, hatte A, Strodtmcmn nichts eiligeres zn thun, als das englische Werk „frei bearbeitet" auch dem deutschen Volke vorzulegen. Und nin das Maß der Lächerlichkeit vollzumachen, sind wir vorm Jahre noch mit der deutschen Uebcrsctzung einer zweiten englischen Lessingbiographie beglückt worden, die eine Dame, Helene Zimmern mit Namen (klingt sehr englisch!), zur Verfasserin hat. Die Uebersetzung führte sie wohlweislich nur als „H. Zimmern" ein, und die deutsche Tagcspresse fiel deuu auch beinahe in xleno darauf herein und pries den geistvollen „Verfasser" des Bnchcs in allen Tonarten. Die zahlreichen bewundernden Stimmen, welche die Verlagshandlnng bereits auf dem Umschlage der dritten und vierten Lieferung abdrucken konnte, zeigte die literarische Kritik, die iu einem großen Theile unsrer Tagespresse verübt wird, in ihrem vollen Glänze, Inzwischen verstäubte das Danzelsche Werk vollends auf den Bibliotheken und die unverkauften Restbestände der Auflage in der Niederlage des Verlegers, der, ein Idealist des seltsamsten Schlages, für die Verbreitung seiner Verlagswerke nicht einen Finger krümmte.