Leopold von Rankes Weltgeschichte.
it Bewunderung muß es jeden erfüllen, daß der Senior der deutschen Geschichtschreiber in einem Alter, in welchem andere die Feder ans der Hand zu legen Pflegen, sich noch entschlossen hat, mit einer Weltgeschichte vor das Pnblienm zu treten,*» Das ans sechs Theile zu je zwei Bänden berechnete Werk liegt in seinem ersten Theile „Die älteste Völkergruppe und die Griechen" vor, nud wenn auch ein Endurtheil darüber erst uach seiner Vollendung gefällt werden kann, so ist doch bei der Wichtigkeit und Ausdehnung des bisjetzt behandelten Abschnittes die Möglichkeit geboten, den Plan wie die Ansfnhrnng des Ganzen schon jetzt einer Betrachtung zn unterziehen.
Im Gegensatze zn Weber, dessen umfängliche Weltgeschichte in diesem Jahre zum Abschlüsse gekommen ist, hat Ranke seiner Aufgabe bestimmte Grenzen gezogen. Nach seiner Meinung darf der Geschichtschreiber sich nicht zutrauen, das Geheimniß der Urwelt, also das Verhältniß der Menschen zu Gott und der Natur zu enthüllen. Diese Probleme bleiben der Naturwissenschaft und zugleich der religiösen Auffassung anheimgegeben. Nnr das darf die Geschichte unternehmen, was sie mit ihren Mitteln zn erreichen vermag, Anch die Anfänge des historischen Lebens schließt Nanke aus. „An die Urwelt," so sagt er, „grenzen die Monumente einer immer noch unvordenklichen Zeit, gleichsam die Portale der Geschichte. Sie haben immer das Wunder nnd Räthsel der lebenden Generationen ausgemacht, In dem letzten Jahrhundert hat man sie besser kennen gelernt und ist ihrem Verstündnisse näher getreten als jemals früher. In uuseru Tageu sind in den Ruinen verschütteter Städte Bauwerke aufgedeckt worden, an deren Wänden die einst mächtigsten Fürsten der Welt ihre Thaten haben aufzeichnen lassen. Allenthalben widmet man der Erforschung der Alterthümer ein Studium, das durch eine Art von Pietät belebt wird. Kunst und Alterthum werden gleichsam identische Begriffe. Man verbindet die leider nnr sehr fragmentarischen Denkmale der alten Götterdienste, Religionen, Staatsverfassungen, welche auf uns gekommen sind. Jeder neue Fund wird als glückliche Entdeckung begrüßt. Um die verschiedenen Mittelpunkte her haben sich Studienkreise gebildet, deren jeder ein eigenes Fach ausmacht und eine besondere ihm gewidmete Lebensthütigkeit erfordert. Und zugleich ist eine allgemeine
Weltgeschichte von Leopold von Ranke, Erster Theil. Die älteste Völkcr- grnppe und die Griechen, Zwei Abtheilungen, Leipzig, Dnnckcr K Hnmblot, 1881.