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jede, auch die schlimmste Vergewaltigung der nichtmagyarischen Ungarn hingehen und wenn die Deutschen ihre natürliche Ueberlegenheit geltend machten, sv war das unpatriotisch? Sie sollten dem lächerlichen Rathe folgen, nur den „Mörtel" abzugeben, der alle Fugen des Staatsgebäudes durchdringe? Als wenn die stärksten Pfeiler eines Baues, ohne die er zusammenbräche, sich jemals zu Mörtel zerreiben lassen dürften und könnten! Mit großem Geschick griff einer ihrer bedeutendsten Führer, der Abgeordnete Heinrich Reschauer, Chefredacteur der „Deutschen Zeitung", die Sache am rechten Ende an. Er forderte (Ende Juni) auf zur Bildung eines „deutschen Schulvereins", der allerorten, wo die Deutschen in der Zerstreuung lebten und so der Entnationalisierung ausgesetzt seien, deutsche Schulen gründen solle als Etappen des Deutschthums. Mit wahrem Feuereifer warf sich die deutsche Bevölkerung ins Zeug. Tausende von Listen in Wien und in allen Kronlanden bedeckten sich rasch mit Tausenden von Unterschriften — auf einer Wiener stand an erster Stelle der Name Schmerling —; die Generaldireetionen der Eisenbahnen traten sofort bei, schickten Listen auf ihre Strecken hinaus, die sich in wenigen Tagen füllten. Im Juli existierten Genossenschaften des Vereins schon in Prag, Reichenberg, Tetschen, Leitmeritz, Tep- litz, Olmütz u. a., um nur von Böhmen und Mähren zu reden. Mit stnmmem, bald mit lautem Aerger sahen die „Nationalen" dieser Bewegung zu, die unwiderstehlich sich ausbreitete, und die doch so gar keine Angriffspunkte darbot!
Doch dabei blieb es nicht. War schon das österreichische Schützenfest in Wien (Ende Juli) durchaus keine gesammt-österreichische, sondern eine deutsch- österreichische Kundgebung gewesen — denn der Reichsgedanke lebt eben nur in den Deutschen —, so schaarte sich jetzt die „Verfassungspartei" zu großen Versammlungen, um gegen die „Versöhnungspolitik" der Regierung für das Deutsch- thum und die Verfassung Zeugniß abzulegen. Der niederösterreichische Parteitag in Mödling bei Wien machte den Anfang, ihm folgte der mährische zu Brünn, der böhmische in Karlsbad. Ein allgemein deutsch-österreichischer ward in Aussicht genommen. Soeben hat er (14. November) in Wien stattgefunden unter Theilnahme von 3000 Mitgliedern aller Kronlaude bis nach Dalmatien und der Bukowina hinein. Das Herrenhaus lehnte die Theilnahme als Körperschaft ab, gestattete sie aber seinen einzelnen Mitgliedern, und wenn auch nur zwei derselben persönlich erschienen, so erklärte doch eine größere Anzahl schriftlich ihre Zustimmung. Zahllose Schreiben und Telegramme aus allen Theilen der Monarchie, besonders aus Böhmen, bewiesen gleichfalls, daß die deutsche Bevölkerung hinter ihren Vertretern stehe. Eine eingehende Darstellung können wir uns an dieser Stelle ersparen, nur den Standpunkt möchten wir hervorheben, der in den Resolutionen und Reden (bes. Kopps und Schmehkals) zu Tage trat. Neben der Treue gegen die Verfassung, gegen den Staat und die Dynastie