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Der Streit der Nationalitäten in Oesterreich.
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auszufertigen. Von geringerer Bedeutung erscheinen die Bestimmungen in § 6 und 10.

Von den ältern Verordnungen schreibt, die erste von 1803 nur vor, jeder könne an jedes Gericht in Böhmen in deutscher oder tschechischer Sprache sich wenden, aber keineswegs, das Gericht müsse ihm in der betreffenden Sprache antworten, Weiter geht ein Erlaß vom Mai 1848, aus einer Zeit also, wo die nationalen Leidenschaften in Oesterreich besonders hoch aufwogten; nach ihm sind die Gerichtsbehörden auch verpflichtet,die Protokolle in jener Landes­sprache aufzunehmeil und die Erledigungen und Erkenntnisse in jener Landes­sprache hinauszugeben, welcher die Partei mächtig ist." Ein Justiz- ministerialerlaß von 1852 verfügte ergänzend, daß alle für den Angeklagten be­stimmten Schriftstücke,wenn der Angeschuldigte nur der böhmischen Sprache kundig, in dieser Sprache abzufassen, bei der Hauptverhandlung die Vor­träge der Staatsanwälte in böhmischer Sprache zu halten und alle Vernehmungen von Persouen, welche nur der böhmischeu Sprache kundig, in dieser Sprache zu pflegen und zu protokollieren" seien. Eine weitere von 1861 enthält im wesentlichen die Bestätigung der Vorschrift von 1848, indem sie vorschreibt, daßprotokollarische Erklärungen in der den Parteien geläufigen (also von ihneu verstandenen) Landessprache aufzunehmen nnd daß in den Ausfertigungen jene Landessprache anzuwenden sei, in der die Eingabe überreicht oder das Proto­koll aufgenommen" sei.

Nach allen diesen Verordnungen sind also tschechische wie deutsche Eingaben gestattet, und ebenso bestimmt sich die Sprache der gerichtlichen Antworten nach der Sprache der Eingaben. Für die Aufnahme von Protokollen wird die Wahl der Sprache nicht abhängig gemacht von der Muttersprache der Betreffen­den, sondern von dem geläufigen Verständniß der einen oder andern Sprache. Mir die Verhandlung in Strafproeessen schreiben die srühern Bestimmungen das Tschechische bei dem Vortrage des Staatsanwalts dann vor, wenn der An­geklagte nur dieser Sprache mächtig ist, keineswegs dann, wenn er sich dieser in seinen Eingaben und Aussagen bedieut hat, obwohl er auch des Deutscheu mächtig ist. Im allgemeinen erscheint überhaupt die Anwendung des Deutschen als Regel, die des Tschechischen als eine Ausnahme; von einer grundsätz­lichen Gleichstellung beider Sprachen ist in allen diesen Verord­nungen nicht die Rede. Erst die von 1861 deutet eine solche an. Und wie war die bisherige Praxis in den rein deutschen Bezirken, auf die es hier besonders ankommt? Die Gerichte in Reichenberg, Eger und Böhmisch-Leipa haben in dem vor Erlaß der Verordnung von ihnen eingeforderten Bericht er­klärt, es werde mit den Parteien jeder Zeit in ihrer Sprache verkehrt, bei Strafsachen )ede Vernehmung in der Sprache des Vernommenen vorgenommen