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auf die deutschen, sie darf die natioualen Begehrlichkeiten uicht ermuthigeu, sie begeht einen Selbstmord, wenn sie es thut. Sind aber die Deutschen fähig und gewillt den Staat zu tragen, so darf er nicht föderalistisch, er muß centra- listisch regiert werden. Denn jede Stärkung der Einzellande verstärkt sofort die centrifugalen, zu deutsch die reichsfeindlichen Elemente. Der Centralismus aber ist gleichbedeutend mit der Behauptung der gegenwärtigen Verfassung (vom 21. December 1867). Es ist freilich viel geredet worden und wird noch viel geredet von der dynastischen Treue aller Nationalitäten, ja der dynastische Gedanke, die Anhänglichkeit an das Haus Habsburg-Lothringen ist wohl gar als das einzig Stabile in der österreichischen Entwicklung bezeichnet worden. Wir wollen gern an die Aufrichtigkeit all des Jubels glauben, der den Kaiser jüngst in Böhmen und Mähren, in Galizien und Schlesien begrüßte, und wir verkennen keineswegs den Werth solcher Gesinnung. Aber sieht man denn nicht, daß die Tschechen und Polen dem Kaiser nicht als solchem, sondern ebenso gut als König von Böhmen oder Polen zujauchzen können, daß dynastische Treue hier keineswegs nothwendig sich deckt mit österreichischer Staatsgesinnung? Und glaubt man denn wirklich, daß allein dynastische Anhänglichkeit heutzutage ein so großes, vielsprachiges Reich zusammenhalten könne? Sie bildet eine starke Klammer, aber sie kann den Mangel anderer Bindemittel nicht ersetzen, solcher Bindemittel, wie es gemeinsame Nationalität und Verfassung sind, und wo jene fehlt, da soll man um so fester an dieser halten. Deren festeste Stütze bilden aber wieder die Deutschen, vor allem jene alten Adelsgesclilechter, deren Name innig verknüpft ist mit jedem Zeitraume österreichischer Geschichte, und die auch unter der Herrschaft der Verfassung so glänzende Beweise reichstreuer Gesinnung und staatsmännischer Weisheit abgelegt haben, und das österreichische Bürgerthum, das seine Geltung im Staate erst der verfassungsmäßigen Gestaltung der Dinge verdankt, während die Landbevölkerung — nicht bloß in Tirol — meist iu den Banden der Klerikalen liegt. Die schlimmsten Feinde der Verfassung aber sind jene böhmischen Hochtories, die zugleich das Reich der Wenzelkrone als ihr Ideal betrachten, und jene Geistlichen, welche die Beschränkung dessen, was sie Freiheit der Kirche nennen, durch die Verfassung, in Tirol sogar die Gleichberechtigung aller Confessionen, die sie gewährt, noch nicht verschmerzen können und ihre Pfarrkinder lieber der Slavisierung überliefern als der befreienden deutschen Bildung. Dies hat eine Spaltung der Deutschen Oesterreichs zur nothwendigen Folge, die ihre Action gegenüber den andern Nationalitäten schwächt, die aber in der Natur der Dinge so tief begründet ist, daß für die nähere Zukunft ihre Beseitigung nicht im Bereiche der Möglichkeit liegt.
Ist so die Forderung, daß das Uebergewicht der Deutschen anerkannt werde, zugleich im Interesse der Reichseinheit und der Versassung begründet, so spricht