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Das deutsche Judenthum in seiner Heimat :
(Fortsetzung.)
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des Bankerottes. Und der nationale Tribut, den Israel dem Lande auferlegt, ist nicht gering. Wie viele productive Leute auch unter ihnen sein mögen, nämlich Handwerker und sonstige Arbeiter, so ist doch weitaus die größte Masse auf den Gewinn gestellt, der von der Benutzung fremder Arbeit und fremder Erzeugnisse abfällt, und dieser Gewinn ist niemals und nirgends so groß als wo der Jude ihn abmißt, wo der Jude die Erzeugnisse des Volkes umsetzt, den Verkehr in der Hand hält. Man mag daher wohl sagen, der Jude sei hier ein nützliches, ja nothwendiges Element, allein nur mit der Einschränkung, daß er es für den Augenblick ist und, wenn er fehlte, Jahre vergehen müßten, ehe er ersetzt würde. Aber ersetzt würde er ohne Zweifel werden, nnd dann durch bessere, prvductivere, haltbare Volksbestandtheile. Wenn der Jude diesem Lande heute manchen Nutzen bringt, so ist damit nicht erwiesen, daß er ihm nneutbehrlich, daß er ihm auch nur als Volksbestandtheil im ganzen und dauernd nützlich sei. Ich bin froh in der nahegelegenen Stadt einen jüdischen Schuster zu finden, der mir für nenn Mark ein Paar warme Stiefel liefert, denn sonst müßte ich mir dieselben für das Doppelte aus Berlin oder Riga verschaffen. Aber vermöchte ein Christ in diesem jüdischen Orte mit dem Juden zu wetteifern, so wären die Stiefel besser und eben so billig. Ein jüdischer Händler für meine Erzeug­nisse ist mir lieber als gar kein Händler; aber wäre der jüdische Händler nicht vorhanden, so weiß ich genau, daß ein deutscher oder lithauischer oder polni­scher sich fände, auf desseu Maß und Gewicht ich mich fester verlassen könnte als auf diejenigen des Juden, und ich würde dem deutschen Händler gern um etwas billiger verkaufen. Denn wenn der Jude sich durchschnittlich mit dem geringsten Gewinn begnügt, so weicht er doch bei gelegener Zeit von dem Durch­schnitt so stark zu Gunsten einer unerwarteten Uebervortheilung ab, daß mir der Vortheil der frühern hohen Preise wieder verloren geht. Es ist wahr, ich ver­mag hier zu Lande ohne Juden nicht zu leben, aber doch nur deshalb, weil die Juden es mir nicht erlauben.

Es ist das ähnlich wie mit der oft aufgeworfenen Behauptung: Wenn der Jude heute große ihm eigene Rasfenfehler hat, fo sind ihm dieselben gekommen von der Behandlung, welche er vom Christen Jahrhunderte lang erduldeu mußte. Dieses ist ohne Zweifel richtig, wenigstens in mancher Hinsicht, besonders in Hin­sicht auf die Hauptsache: den Mangel des sittlichen Charakters. Indessen was hat diese Erklärung zu bedeuten? Kann man von uns Heutelebenden fordern, daß wir die Sünden fühnen, welche unsere Väter an ihren Juden übten, in­dem wir ruhig die Süuden und Verletzungen unsrer Juden über uns ergehen lassen? Der Stamm Israel ist nun heute einmal so wie er ist, nämlich mit mancherlei ethischen Uebeln behaftet, und darum will er nicht recht in die For­derungen unsres sozialen Leben hinein passen. Sollen wir der Grasmücke gleich

Grenzboten IV. 1880. 28