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Die nationale Partei am Scheidewege.
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gegen den heiligen Vater, wie würden sie sich selbst dem Volke als die stand­haften und siegreicheil Glaubenshelden und als die klugen einsichtsvollen Poli­tiker hinstellen, die es sogar mit Bismarck aufgenommen hätten! Conseqnenz: Der Liberalismus würde in der politischen Taktik eine Schlappe sonder Gleichen erleiden.

Wie der Sieg der Reichsfeinde nur durch die Uneinigkeit der nationalen Elemente ermöglicht werden kann, so kann umgekehrt die Einheit derselben keine bessere Gelegenheit finden, den Gegner bloßzustellen als den gegenwärtigen Augenblick. Die Einigkeit iu einer nationalen Koalition zu verwirklichen ist vor allem Aufgabe der Nationalliberalen, schon aus dem Grunde, weil die conser- vative Partei, wie ebeu ausgeführt, auch ohne Hilfe der Nativnalliberalen die Vorlage durchbringen kann. Stimmt dagegen eine nationale Koalition für die Vorlage, welche alsdann im liberal-conservativen Sinne amendirt wäre, so ist das Centrum genau in derselben preeären Lage wie vorher der Liberalismus. Stimmt das Centrum nämlich auch für die Vorlage, so ist deren einstimmige Annahme ein eelatanter Sieg des Staats über die Kirche, das Centrum hat seinem Prineip entgegen sich auf den gesetzlichen Boden gestellt und Rom ge­wissermaßen desavvuirt, während doch trotz dieser principiellen Opfer der Dank des Volkes der nationalen Koalition zufällt, gegen deren Gewicht die Abstim­mung des Centrums unerheblich wird. Stimmt das Centrum aber gegeu die Vorlage, so wahrt es allerdiugs sein Princip, lädt jedoch das Odium eines unfruchtbaren Kampfes auf sich und schädigt sich bei den Wählern als politische Partei unermeßlich. Die Regierung kann dagegen ihren Sieg um so freier und unabhängiger ausnutzen. Enthält sich endlich das Centrum der Abstimmung und dies ist das Wahrscheinlichste so wahrt es zwar sein Princip, dankt aber in den Augen der Menge als politische Partei ohne Einfluß ab. Das Volk empfängt den Frieden ans der Hand der nationalen Coalition, nnd der Allsfall des cleriealen Nebergewichts kann demnächst nur der liberalen Partei zil Gute kommen, denn man wird bei den Massen sehr wohl ein Verständniß dafür haben, daß die Einigkeit ein Verdienst der Nationalliberalen gewesen ist, die mit der nun einmal vorhandenen conservativen Strömung rechnen mußten und gerechnet haben, nicht im Kampfe gegen Principien, sondern im Kampfe gegen den Reichsfeind.

Selbst im Artikel 4 der Vorlage können wir kein unübersteigliches Hinderniß erblicken. Der Verfasser dieser Zeilen lebt mitten in einer katholischen Provinz. Unsere katholische Geistlichkeit ist im Vergleich mit derjenigen von Oesterreich und Italien ein Muster von Sittenstrenge, Berufstreue und beschränkter Devotion, sie ist ein nicht hoch genug zu schätzendes Element der Gesittung für unser nie­deres, armes, trostbedürftiges und zugleich so braves, treuergebenes Volk. Diese Geistlichkeit hat schon lange angefangen, den Geschmack an dem Terrorismus der Centrilinspartei zn verlieren. Sollte es wirklich nicht sehr weise sein, der Regierung die Möglichkeit zu lassen, unter den Autoritäten, d. h. unter den Bischöfen, von welchen einer ein Heer von Geistlichen in der Meinung des Volkes aufwiegt, diejenigen Elemente herbeizuholen, welche des Kirchenstreites lllld der Centrumsmacht müde sind?

Der Feind ist Rom und der Jesuitismus. Das Unfehlbarkeits-Dogma hat gelehrt, daß auch deutsche Bischöfe gegen Rom aufstehen können. Soll dem Staate die gesetzliche Möglichkeit genommen werden, diese besten Elemente der deutschen Kirche zu sich herüberzuziehen, oder denkt einer so unwürdig vom preußischen Staate, daß er dulden könnte, das Gesetz zu beugen? Was auch