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Körper bis in das Greisenalter hinein gleichmäßig frisch zu erhalten. Seine Beobachtungen und Erfahrungen auf der Jagd hat er übrigens auch in verschiedenen Bildern verwerthet. Eines von ihnen, „Jäger auf dem Anstand", befindet sich in der Ravene'schen Sammlung in Berlin.
Im Jahre 1833 machte Lessing durch einen Zufall die nähere Bekanntschaft mit der Geschichte der Hussiten, welche ihm nachmals den Stoff zu seinem berühmtesten Bilde liefern sollte. Während eines Unwohlseins las ihm eines Abends ein Freund, der geistvolle Dichter Friedrich von Uechtritz, aus Menzels Geschichte der Deutschen die Schilderung der Hussitenkümpfe vor. Diese Darstellung ergriff den jungen Künstler so mächtig, daß sie schon am anderen Morgen in seinem Kopfe bildliche Form gewann. Flüchtige Compositionen wurden hingeworfen; aber zuvor galt es noch, das von Menzel nur in kurzen Umrissen Gebotene durch Specialstudien zu erweitern. Auch nach dieser Richtung hin war Lessing ein Sohn der neuen Zeit: er begnügte sich nicht mit dem traditionellen Theatercostüm der älteren Düsseldorfer, welches diese für „mittelalterlich" hielten, sondern er ging, sobald er sich an die Ausführung eines Bildes machte, mit großer Gewissenhaftigkeit auf die Quellen zurück, um den strengsten Anforderungen der historischen Kritik zu genügen. Das erste der Bilder aus der Geschichte der Hussiten, die „Hussiteupredigt" (Berliner Nationalgalerie, 1836 vollendet) zeigte in seiner Auffassung ebenso klar den selbständigen, zielbewußten Reformator wie seine Landschaften. Die übrigen Historienmaler der Düsseldorfer Schule hatten bei ihren figurenreichen Gemälden, welche große Haupt- und Staatsactionen darstellten, die Hauptrolle immer den Kaisern, Königen, Fürsten, Rittern und der Geistlichkeit zugewiesen. Das Volk wurde von ihnen nur als bedeutungslose Staffage benutzt, als Füllsel, welches hie und da einige Lücken der Composition auszugleichen für gut gehalten wurde. Lessing machte zum ersten Male die Männer und Frauen aus dem Volke nicht bloß zu Theil- nehmern an der Action, sondern auch zu Trägern selbständiger Empfindungen und Gedanken. Er führte den tisrs öwt in die vornehme, exclusive Historienmalerei ein und erwarb sich dadurch ein reformatorisches Verdienst, welches der großen Thaten nicht unwürdig ist, die sein Ahnherr als Vorkämpfer für Geistesfreiheit vollführte. Ein solches energisches Vorgehen war schon damals nicht unbedenklich, besonders in der näheren Umgebung Lessings, in den Rhemlcmden, wo sich die socialen Gegensätze schon frühzeitig schärfer zugespitzt hatten als anderwärts, wo clericale Unduldsamkeit und pfäffische Bornirtheit genug Brennstoff angehäuft hatte, der nur des explosiven Funkens harrte. Vor der Hand freilich wurden die Gemälde Lessings noch nicht von socialistischer Seite tendenziös ausgebeutet; dies geschah erst anderthalb Jahrzehnte später, als Lessing das Meisterwerk seines Lebens „Huß vor dem Scheiterhaufen" in die Welt