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Wie aber dem eigenen Hause, so öffnet Annette Droste dem Hause, der Familie überhaupt das Herz und begleitet alle Beziehungen des Familienlebens mit theilnehmendem Gemüthe. Zwei der Feier desselben geweihte Gedichte sind in weitere Kreise gedrungen und haben mehrfach in Anthologien Raum gefunden: „Das vierzehnjährige Herz", das die ideale Liebe der heranwachsenden Tochter für ihren Vater darstellt, und das ergreifende Gedicht „Die junge Mutter". Das Kind ist bei der Geburt gestorben, die kranke Mutter glaubt ihren Liebling in einem entfernten Zimmer, wie Wärterin und Gatte ihr gesagt, und liebliche Bilder tauchen vor ihrer Seele auf:
Da öffnet knarrend sich die Kammcrthür,
Vorsicht'ge Schritte über'n Teppich schleichen.
„Ich schlafe nicht, Rainer, komm her, komm hier!
Wann wird man endlich mir den Knaben reichen?"
Der Gatte blickt verstohlen himmelwärts.
Küßt wie ein Hauch die kleinen weißen Hände:
„Geduld, Geduld, mein Liebchen, bis zum Ende!
Du bist noch gar zu leidend, gutes Herz". —
„Du duftest Weihrauch, Mann." — „Ich war im Dom;
Schlaf, Kind!" und wieder gleitet er oon bannen.
Sie aber näht, und liebliches Phantom
Spielt um ihr Aug' von Auen, Blumen, Tannen. —
Ach, wenn du wieder siehst die grüne Au,
Siehst über einen kleinen Hügel schwanken
Den Tannenzweig und Blumen drüber ranken,
Dann tröste Gott dich, arme junge Frau!
Aber die Dichterin derjenigen Liebe, welche im Hause waltet, hat kaum und soweit es geschehen, nur andeutend der Liebe gedacht, welche das Haus gründet. Wir werden weiter unten diesen Mangel zu begreifen suchen; hier nur das Eine. Man glaube nicht, daß Annette Droste dieser Beziehung nicht den Werth zuerkannt habe, welchen ihr die Poesie und die ideale Weltanschauung giebt. Eine Episode in der „Schlacht am Loener Bruch" bildet die Liebe Gertruds und Eberhards. Der bräutliche Bund ist geschlossen. Leise flüsternd steht das Paar in der Fensterbrüstung.
Was ward gesprochen? Allerlei, Wie immer reden solche Zwei, Vom ersten Strahle überglänzt; Ist Einer, dem es nicht ergänzt Nicht Gegenwart, Erinnerung: Gar arm ist er! wo nicht, gar jung!*)
*) Der Herausgeber der Briefe erklärt: „Die einfache Lösung des Räthsels ist, daß der ernste, einfache, gesunde Sinn der Dichterin und ihr Gerechtigkeitsgefühl sie überzeugt hatten, daß die vielgepriesene Liebe, wie sie- durchgängig verstanden wird, eines so maßlosen