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theilt ist, von denen die erste (Seraim) Gesetze über Felderzeugnisse sowie Vorschriften über das Gebet umfaßt, die zweite (Mosd) von den Fest- und Fasttagen, die dritte (Naschim, d. h. eigentlich: Weiber) von der Ehe, die vierte (Nesikin) von der Gerechtigkeitspflege handelt, die fünfte (Kodaschim) Opfer- und Speisegesetze enthält und die letzte (Taharoth) sich mit Bestimmungen in Betreff der Reinigung beschäftigt. Jede Ordnung zerfällt in verschiedene Tractate, jeder Traetat in mehrere Abschnitte und jeder Abschnitt in eine Anzahl Verse. Die Gemara knüpft ihre Betrachtungen immer an einen Mischna-Vers an.
Endlich sei noch erwähnt, daß die hervorgehobene Kleinmeisterei, Grübelei und Spitzfindigkeit besonders stark im babylonischen Talmud hervortritt, und daß gerade dieser den Juden bis auf unsere Zeit besonders gut gefallen hat. Ueber das Ganze aber hat selbst der jüdische Professor Grätz insofern nicht günstig geurtheilt, als er sagt, der Talmud enthalte viele unwesentliche und kleinliche Dinge, die mit wichtiger und ernster Miene behandelt würden, sodann abergläubische Elemente (was andern alten Büchern freilich auch so geht), ferner falsche Schriftauslegungen und der Wahrheit schädliche Deuteleien, endlich lieblose Verurtheilungen und Verketzerungen fremder Völker und Religionen. Im Folgenden mag eine Blumenlese aus dem Werke zunächst dieses selbst, dann die, welche ihm die Seele gaben, und endlich diejenigen charakterisiren, denen es fast anderthalb Jahrtausende die Richtschnur für ihr Leben war.
Beginnen wir mit der Lehre des Talmud von Gott, so lesen wir aus dem Traetat Avoda, daß der Ras gesagt hat: „Der Tag hat zwölf Stunden: in den ersten dreien sitzet Gott und studirt im Gesetze, in den nächsten dreien richtet er die ganze Welt, in den folgenden dreien ernährt er die Welt, in den letzten drei Stunden aber sitzet er und spielt mit dem Leviathan." Nach einer Anekdote im Traetat Bava Mezia kann Gott bei Streitigkeiten zwischen Rabbinern in Folge geschickten Dispntirens als Irrender dastehen. Der Rabbi Elieser streitet dort mit dem Rabbi Jehoscha über die Reinheit eines Backofens. Gott stellt sich auf die Seite des ersten Gelehrten und unterstützt ihn durch drei Wunder. Jehoscha aber behält zuletzt doch Recht, und Gott gesteht das selbst zu, indem er ausruft: „Meine Kinder haben mich überwunden!" Nach dem Traetat Chagiga hat Gott über die Zerstörung des Tempels zu Jerusalem an einem verborgenen Orte geweint. Nach dem Traetat Berachoth „sitzet Gott in jeder der drei Nachtwachen und brüllt wie ein Löwe und sagt: ,O wehe, daß ich mein Haus verwüsten, meinen Tempel verbrennen und meine Kinder gefangen unter die Völker der Welt wegführe« ließ!"' Nach demselben Traetat hat er seit diesem Ereigniß „nicht mehr als vier Ellen weit Raum, in seiner Welt zu gehen", und nach einer andern Stelle desselben Abschnittes läßt Gott jedesmal, wenn er sich erinnert, daß seine Kinder, die Juden, in der Welt mit