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Literatur.
Nach berühmten Mustern. Parodistische Studien von Fritz Mauthner. Neue Folge. Bern und Leipzig, G. Frobeen <K Co., 1879.
Eine neue Folge jener amüsanten Satiren, in denen Mauthner die von der großen Masse bewunderte und gehätschelte Manier „berühmter" Schriftsteller und Dichter der Gegenwart verspottet. Die, welche diesmal das Loos getroffen hat, sind Bodenstedt, du Bois-Reymond, Felix Dahn, Hamerling, Paul Hehse, Hans Hopfen, Paul Lindau, die Marlitt, Johannes Schcrr und Adolf Wilbrcmdt. Am besten gegeißelt erscheint uns unter allen das gespreizte Wesen und die verblüffende Profunditüt von du Bois-ReymondS akademischen Festreden, sodann die wohlfeile Art, in der Paul Lindau bald in „sommerlichen", bald in „überflüssigen" Briefen an irgend einem armen dnmmen Teufel den Marshasschinder spielt, endlich die alberne Sucht nach rüden Neologismen, durch die sich Scherr fort und fort an unserer Muttersprache versündigt.
Daß die erste Serie dieser „parodistischen Studien" bereits ein Dutzend, die vorliegende zweite binnen wenigen Wochen ein halb Dutzend Auflagen erlebt hat, verdanken sie keineswegs bloß der weitverbreiteten Lust am Spott, sondern sicherlich auch dem richtigen Gefühl, daß hier eine Art von Kritik geübt wird zu einer Zeit, wo der größte Theil der Presse belletristischen Erzeugnissen aller Art beinahe kritiklos gegenübersteht. H. v. Treitschke hat neulich, in anderen, Znsammenhange, gesagt, daß unsere Zeitungen noch nie so wenig ein treues Spiegelbild der öffentlichen Meinung gewesen wie gerade jetzt. Das gilt auch hinsichtlich der literarischen Kritik. Die Mauthnerschen „Studien" finden flotten Abgang, einfach weil der urteilsfähige Theil des Publikums hier in heiterer Form findet, was er in ernster Form in unserer Presse überall vergebens sucht: sein eigenes Urtheil. Der gebildete Theil des Publikums übt schon Kritik, es hat keine Noth. Aber diese Kritik geht bloß von Mund zu Munde, sie wird nirgends gedruckt; gedruckt wird ja fast bloß noch die Reclame.
Gedenkblatt des deutfch-französischen Krieges 1870— 71. Essen,
G. D. Baedeker (1880).
Ein so voluminöses Recensionsexcmplar wie dieses speoimöii t^xoArgpluao oder vielmehr litboArxcpbias hat seit langer Zeit nicht auf dem Redactionstische der „Grenzboten" gelegen. Das genannte „Gedenkblatt" besteht aus einein 186 Cm. langen, 86 Cm. breiten Tableau, das, an schwarzweißrother Schnur hängend, nach Art einer Landkarte zwischen schwarzpolirten Stäben auf Leinwand aufgespannt ist, und auf dem die Geschichte des Krieges von 1870—71 in tabellarischer Form (Namen der Schlachtfelder, der Fürsten, der Heerführer, der betheiligten Armeetheilc, gleichzeitige Aussprüche, Telegramme, Gedichte) in den verschiedensten Schrat-Gattungen, Größen und Farben dargestellt ist. Wirkliche Ucbersichtlichkeit ist bei der Fülle und Mannigfaltigkeit des Gebotenen nicht erreicht worden, und über den Geschmack des patriotischen Zeichners wollen wir den Mantel christlicher Liebe breiten. Jedenfalls ist das Ganze wohlgemeint und wird als „Zimmerschmuck" in öffentlichen Localen willkommen sein. An Klassenzimmer höherer Lehranstalten wagen wir nicht zu denken; die liebe Jugend hat heutzutage eine zu böse Zunge und möchte unliebsame Vergleiche mit Straßenplacaten anstellen.
Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hü-thel K Herrmann in Leipzig.