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Hie Wagner! hie Schumann!
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Die dein Wvrte verbundene Musik macht uns immer neue Formen des Aus­drucks für das seelische Empfinden geläufig und führt so immer wieder zu neuen Bereicherungen der absoluten Musik. Diese aber muß allezeit als die vollkommenste Erscheinung der musikalische» Kunst angesehen werden, da sie nnr ans sich selbst ohne Beihilfe fremder Elemente wirkt. Darum habe» wir die feste Ueberzeugung, daß auch Wagners Kunstschaffen von Einfluß auf die nächste Gestaltung der absoluten Musik sein wird, da deren Ausdrucksmittel durch ihu eine neue werthvolle Bereicherung gefunden haben. Nicht auf dem Gebiete der Overn- composition, sondern auf dem der absoluten Musik möchten wir den nächsten Fortschritt über Wagner hinaus erwarten; daß aber auch bei diesem neuen Fort­schritte die absolute Musik der symmetrischen Gestaltung nicht wird entbehren können, daß die nachwagnerische absolute Musik nicht in die für die Gesangs­musik und für die illustrirende Musik zulässige Formlosigkeit verfallen wird, wollen wir hoffen und dürfen wir als bestimmt annehme». Sonst würde eine vollständige Reaction unvermeidlich werden. Die Mozartschen, Beethovenschell und Schumannschen Schusterflecken werdeil also wohl auch dann nicht verschwinden, und wenn Herr Joseph Rubinstein dann noch lebt, so mag er seine Harfe aufhängen und weinen über den Verfall der Kunst seines Meisters; denn er wird auch danu allgemein gefallende Themen finden, bei denen er sich nichts denken kann.

Vorlänfig ist Schumanns Seelensprache noch eine verständliche und keines­wegs veraltete für uus; selbst Beethvveu ist uns noch geläufig, oder noch nicht einmal' geläufig. Die kindlich naive Ausdrucksweise Mozarts wird wohl so leicht nicht unverständlich werden, und selbst der alte Sebastian Bach wird immer wieder jung. Und wird denn überhaupt eine schlichte, einfache, eine kernige, derbe, eine gemüthvolle, milde oder eine schmerzlich ernsthafte Ausdrucks­weise darum unverstäudlich, weil nenerdings eine überschwänglich leidenschaft­liche aufgekommen ist? Jeder giebt, was er kann; wer das Ausdrucksvermögen der Kunst bereichert, wer wahre Kuustwerke geschaffen hat, dem sind wir Dank schuldig; es ziemt uus nicht, das Alte um des Neuen willen zu verachten.

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