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sehr gering. Dies wirkte naturgemäß ans die deutschen Verhältnisse zurück. Viele der von den Deutschen zerstörten alten Römerstädte erstanden auss neue aus ihren Ruinen, und der Bischof mit seinem Gefolge hielt seinen Einzug in die so lange verödeten Mauern. Damit war aber freilich noch nicht gesagt, daß das deutsche Volk selbst ebenfalls seinen Widerwillen gegen städtisches Leben aufgegeben hätte. Erst dnrch die wirthschaftlichen Verhältnisse wurde diese für die Läuge der Zeit unausbleibliche Folge herbeigeführt.
Geistliche Einfachheit und Mäßigkeit herrschte in diesen bischöflichen Residenzen, wie wir aus den lebendigen Schilderungen der Zeitgenossen ersehen, nur selten. Doch mag man sich mehr über die Quantität, als über die Qualität der Konsumtion verwundern. Es ist erstaunlich, welche Masse von Lebensmitteln an diesen geistlichen Höfen verbraucht worden ist. Da aber diese Bedürfnisse durch die Hörigen des Bischofs nicht allein produzirt oder gedeckt werden konnten, so entwickelte sich zuerst in den bischöflichen Residenzen ein lebhafter Verkehr. Anfänglich kamen die Landleute mit ihren Lebensmitteln, die Kaufleute mit ihren mancherlei Gegenständen des täglichen Bedarfes nur vorübergehend an den festgesetzten Markttagen in die „Stadt". Je mehr aber die Erkenntniß durchdrang, daß dieser Vermittlerverkehr zwischen Produzenten und Konsumenten einträglicher sei als die Produktion selbst, nm so mehr gewöhnten sich auch deutsche Kaufleute, in der Stadt ihren dauernden Wohnsitz aufzuschlagen. So ist der Markt recht eigentlich der Urheber des städtischen Lebens in Deutschland geworden. Und worauf anders beruht, im Grunde genommen, noch hente die wesentliche Bedeutung der Städte?
Noch ein anderes Moment aber kam hinzu. Die Thatsache dünkt uns heute wunderbar, daß die großen fränkischen Herrscher aus dem merowingischen und karolingischen Hanse, daß selbst Karl der Große die kolossalen Resultate seiner Regententhätigkeit ohne eine feste Residenz erreicht hat. Und doch ist dem fo; ja es war bei der Schwierigkeit des Verkehres nöthig, daß der König in den verschiedenen Theilen des seit Karl dem Großen so ausgedehnten Reiches umherzog, um sich über die Zustände zu orientiren. Man weiß, eines wie komvlizirten Beamtenmechanismus er dazu bedürfte, und wie die große Selbständigkeit, die er den höchsten Verwaltungsbeamten, den Markgrafen und Grafen, lassen mußte, unter seinen schwachen und uneinigen Nachkommen zum Verderben des Reiches ausschlug. Noch fehlte dem Reiche ein großes Zentrum; unter Karl dem Großen war es in seiner Persönlichkeit selbst repräsentirt gewesen. Die Könige reisten also im Lande umher und nahmen dabei ihren Aufenthalt vorwiegend in den Königspfalzen, welche im ganzen Reiche verstreut lagen, uud deren Einkünfte von königlichen Meiern verwaltet wurden, die für die Aufnahme des Königs zu sorgen und über ihre Verwaltung Rechnung zu legen hatten.