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Beziehung ist die Jugend die Zeit des Reims, doch sind die schönsten formellen Wirkungen auch hier schon rhythmische, unterstützt durch mannigfaltige, höchst wirkungsvolle Anwendung des Refrains.
In der Uebergangsperiode schließt sich der Dichter in Lied und Ballade noch enger an das Volkslied an, meist sehr glücklich. Auf dem Felde der Ballade erringt er die Meisterschaft in dem herrlichen Gedicht „Schön Rohtraut", aus dessen alterthümlich formelhafter Gebundenheit die Fülle der Empfindung so verstohlen hervorbricht, und wo nur am Schlüsse der Knabe sich für mein Gefühl allzuleicht bescheidet. Bescheiden, kindlich, fast spielend erscheint die Liebe auch im „Gärtner" und in „Der Knabe und das Jmmlein", und wie der Dichter heiterer geworden ist, so treibt jetzt sein Humor die schönsten Blüthen, im Tone des Volksliedes und in dem Goethischen Tone genialer Derbheit so gut wie in zierlichen, schalkhaften Distichen („Storchenbotschaft", „Restauration", „Lose Waare", Amor als Tintenverkäufer). Vom besten Humor und nicht gemeiner Gestaltungskraft zeugt das „Märchen vom sicheren Mann", das — bezeichnend für die Uebergangszeit — eine phantastische Erfindung der Orplidperiode mit dem vollen epischen Behagen der späteren Zeit in Hexametern erzählt. Denn während die romantisch volksthümliche Richtung, während Lied und Ballade hier im wesentlichen ihren Abschluß finden, tritt nun die Vorliebe für reimlose Verse, die Hinwendung zu Epigramm, Epistel, Idylle hervor.
Diese Richtung ist es, welche die letzte Periode seit dem Jahre 1840 beherrscht. Es ist das Jahr der „Classischen Blumenlese", einer Auswahl von Uebersetzungen aus griechischen und römischen Dichtern, die Mörike, zum Theil in neuer Bearbeitung, herausgab, das Jahr des „Thurmhahns", das Jahr der ersten Trimeter, die von nun an — und das hört man ihnen an — des Dichters Lieblingsversmaß sind. Nicht mehr nach Shakespeare'scher Bilderfülle steht sein Sinn, ein sicher gewähltes Bild liebt er in homerischer Weise auszuführen und bildet den angebornen Sinn für Anmuth im steten Verkehr mit Theokrit und Catull unermüdlich aus. Catull war es, von dem er den Trimeter übernahm. Individuelle Eindrücke aus Natur, Kunst und Leben sind jetzt die Stoffe des Dichters, insbesondere weiß er überraschend feinsinnig im gewöhnlichen Leben Poesie zu finden. Immer seltener werden die vollen Nachtigallen- töue, Schwalben scheinen diese Gedichte mit ihrem lieblich geschäftigen Gezwit- scher, die sich so eng und traulich bei dem Menschen ansiedeln; so nahe der Erde geht ihr Flug und ist doch so leicht, so zierlich und sicher wie der Flug der Schwalbe, die, wo sie über dem Wasser hinstreicht, auch wohl einmal den Flügel netzt. Und hier in diesen genrebildlichen, idyllischen Darstellungen, in diesen zwanglosen Plaudereien, die gern die Form der Epistel annehmen, findet