Zweijährige Audgets und Verlängerung der Legislaturperiode.
Unter den Fragen, welche den Reichstag bei seinem Wiederzusammentritt beschäftigen werden, wird auch der Vorschlag zu einer Verfassungsveränderung sein. In der zweiten Woche des Juli d. I. wurde von der Neichsregierung eine Vorlage in Betreff der Abänderung der Artikel 13, 24, 69 und 72 der Verfassung dem Bundesrathe übergeben und von diesem den mit diesen Fragen betrauten Ausschüssen zugestellt. Jene Artikel bestimmen, daß die Berufung des Bundesrathes und des Reichstags alljährlich stattfindet (Art. 13), daß die Legislaturperiode des letzteren drei Jahre dauert (Art. 24), daß alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushalts-Etat gebracht werden, und daß dieser vor Beginn des Etatsjahres durch ein Gesetz festgestellt wird (Art. 69), endlich daß über die Verwendung der Einnahmen des Reichs durch den Reichskanzler dem Bundesrathe und dem Reichstage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen ist (Art. 72). Die Abänderung aber, welche die Regierung im Auge hat, besteht zunächst in der Verwandelung der einjährigen Etatsperiode in eine zweijährige, sodann, für den Fall, daß die Nöthigung das Budget alle Jahre festzustellen wegfiele, in einer weiteren Aenderung, nach welcher die Reichstagsabgeordneten nicht in jedem Jahre zusmnmenzuberufen sein würden, drittens in vierjährigen Wahlperioden statt der bisherigen dreijährigen.
Ein großer Theil der liberalen Partei, darunter auch solche Stimmen, die der Politik des Reichskanzlers bisher nicht prinzipiell Opposition machten, hat diesen Schritt der Regierung übel aufgenommen, ihn für unnöthig, ja für schädlich erklärt und in ihm die Absicht entdeckt, die Rechte der Volksvertretung zu beschränken und somit eine Bestätigung der Befürchtung, nach welcher eine Aera der Reaktion angebrochen fein soll. Wir nehmen diesen Standpunkt nicht nn, und zwar deshalb nicht, weil wir meinen, daß die Regierung des Reichs
Grenzbotm IV. 1879. 7