— 444 -
„Wir möchten nun doch auch ein Oratorium von Ihnen hören, lieber Haydn", sagte dann eines Tages der aus Mozart's und Beethoven's Leben bekannte Baron van Smieten, der auch ihm schon lange Zeit bekannt war. „Er unterstützte mich zuweilen mit ein paar Ducaten und schenkte mir auch einen bequemen Reisewagen zur zweiten Reise nach England", hat Haydn selbst erzählt. Der kaiserliche Bibliotheksdirektor van Swieten aber war zugleich Sekretär einer Adelsgesellschaft, deren Theilhaber den vollen Klang jener Namen zeigen, die den allermusikalischsten Adel Europa's ausmachten, jener Esterhazy, Lobkowitz, Kinsky, Lichnowsky, Schwarzenberg, Auersperg, Trautmannsdorf und anderer. Seit Jahren pflegten diese in dem schönen Bibliothekssaale der kaiserlichen Burg größere Gesangswerke aufzuführen. Händel war der bevorzugte Liebling, Mozart hatte für ihre Konzerte „Acis und Galathea", die „Cäcilien-Ode", den „Messias" und das „Alexanderfest" bearbeitet. Man besaß damals oder kannte doch nichts Aehnliches für Deutschland. Sebastian Bach war, namentlich für Wien, noch nicht entdeckt, Haydn's „Rückkehr des Tobias" wie Mozart's vg,viääs xeriiwQts in einem Stile geschrieben, den man schon in der Oper besaß, und das „Requiem" war zwar schon vorhanden, auch aufgeführt, stand aber eben einzig in seiner Art da. Dagegen zog die „Zauberflöte" jahraus jahrein Tausende ins Theater. Warum konnte man nicht ähnliche rein deutsche Musik auch im Konzertsaale hören? War doch in diesem Werke ebenfalls ein Stück Schöpfung mit allerhand Gethier und Wesen, mit dem Paradies und dem feierlich geprüfte« Liebespaare Pamina und Tamino gegeben, und wie viel mannigfaltiger erschienen die Lebensbilder in dem Schöpfungsgedichte Lidley's selbst, das Haydn in den Händen und van Swieten bereits gezeigt hatte! Die Gesellschaft bot ihm also ohne Zweifel auf van Swieten's Anregung ein Honorar von 500 Dukaten, und dieser selbst machte sich an die Bearbeitung des englischen Textes. Drei Jahre später war das volksthümlichste aller Oratorienwerke, die „Schöpfung", vollendet.
Dazwischen aber fällt — abgesehen von der 1796 entstandenen Messe in tsiuxors KÄU (in Kriegszeiten), deren ^.KQU3 äm mit Pauken einsetzt, als höre man den Feind schon in der Ferne kommen — ein künstlerisches Ereigniß, das wenn auch keineswegs entscheidend für die Tonkunst als solche, doch ihren hehren Beruf, die Vorstellungen und Empfindungen ganzer Zeiten und Völker zusammenzufassen und auf ein hohes Gesammtziel zu lenken, in der schönsten Weise erfüllt: die Komposition von „Gott erhalte Franz den Kaiser".
Das weltberühmte, unvergleichlich schöne Lied hat seinen Entstehungsgrund in den von Frankreich herüberdrängenden revolutionären Bewegungen jener Jahre, die 1796 den k. k. Oberstkanzler Grafen Saurau bestimmten, ein Nationallied dichten zu lassen, das geeignet wäre, „die treue Anhänglichkeit des