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Die Leipziger Kunstakademie.
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Plastik der Details und eine solche Klarheit und Empfindung in der Schatten- gebuug, wie sie hier zu Tage tritt, noch nie an Schülerleistungen dieser Art beobachtet haben; die Blätter legen sämmtlich, unbeschadet der Individualität des Einzelnen, der überall sichtlich freie Hand gelassen ist, von strengster Leitung Zeugniß ab. Die Arbeiten der oberen Klasse zerfallen in Aktstudien, Kostümfiguren und Porträtköpfe, die theils in verschiedenen Manieren gezeichnet, theils in Oel gemalt sind, und eine kleine Auswahl freier Kompositionen aus dem Gebiete der Genre. Hier brauchen wir nicht ausdrücklich hervorzuheben, daß die Herrschaft über die Technik'und die frische, natürliche, durch keine Manier beirrte Auffassung, die sich in den meisten dieser Arbeiten ausspricht, ciuf's neue von der bewährten Führerhand des Direktors zeugen, unter deren Anleitung sie entstanden sind.

Neben den spezifisch kunstgewerblichen Bestrebungen, die schon in den Abtheilungen für Plastik und Ornamentik zu Tage treten, haben wir aber diesmal auch die ersten Proben von Dekorations-, Porzellan- und Glasmalerei zu verzeichnen. Es sind vor der Hand noch vereinzelte Ansätze dazu, die aber sicherlich nicht vereinzelt bleiben werden. Ebenso sind zum ersten Male be- achtenswerthe Proben von Holzschnitt unter Oertel's Anleitung gefertigt, Radirung und Lithographie vorgeführt, und hier zeigt es sich denn, daß die Schule thatsächlich bereits beginnt, der Praxis die Hand zu reichen. Einige lithographirte Umschläge hat die Verlagshandlung von A. Dürr zu Publika­tionen von Werken Genelli's und Preller's ausführen lassen, und ein Cyclus von Illustrationen, den ein Schüler der Oberklasse unter Leitung des Direktors entworfen hat, ist übrigens in einer originellen, an den Metallschnitt erinnernden xylographischen Manier in dem im Brandstetter'schen Verlage erschienenen Büchlein:Lustige Geschichten aus alter Zeit" zur Verwendung gekommen. Dies alles sind vorläufig vielleicht noch geringfügig erscheinende Resultate, deren man sich aber doch, wenn man alle Umstände erwägt, die hier in Frage kommen, aufrichtig freuen kann.

An den Leipziger Gewerbtreibenden wird es nun sein, mit der von so frischem Eifer beseelten Anstalt mehr und mehr Fühlung zu suchen. Einzelne Lehrer der Akademie, namentlich Professor zur Straßen, sind ja, wie man sagt, in den letzten Jahren mit kunstgewerblichen Aufgaben, namentlich mit Bestel­lung von Entwürfen aller Art förmlich überschüttet worden. Dennoch scheint es, daß die Herren Akademiker und die Gewerbtreibenden einander noch nicht ganz verstehen. Die ersteren klagen wohl, daß die von ihnen gelieferten Entwürfe häufig nicht recht zur Geltung kommen, weil die Handwerker, keineswegs immer mit Rücksicht auf die Bedingungen ihrer Technik, sondern aus purer Bequem­lichkeit und anderen höchst untergeordneten Rücksichten, sich entstellende Modi-