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Drei Sensationsmaler. III. : Gabriel Max.
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behielt. Das Tuch ist so meisterhaft gemalt, daß es beinahe selbst ein Wunder ist. Rationalistisch gesinnte Menschen erklären dieses Wunder allerdings da­durch, daß sie behaupten, der Maler habe einfach ein grobfasriges Tuch auf die dick aufgetragene, halbtrockene Farbe gedrückt und durch diesen geistreichen Kunstgriff den stupenden Eindruck hervorgerufen. Wir halten dies natürlich für pure Verleumdung Und bewundern nach wie vor das vergilbte, an den Kanten ausgefaserte, vom Schmutze des Alters stark angegriffene Tuch, welches hie und da von Blutstropfen befleckt ist. Die Haare Hüngen wirr um das dornengekrönte Haupt, um die hohe Stirn und die hohlen, bleichen Wangen und vereinigen sich unten mit den Strähnen des Bartes. Der Mund ist schmerz­lich zusammengekniffen, die Wimpern sind sest geschlossen und die Augen tief in ihre Höhlen herabgesunken, als wären sie äußerer Gewalt, einem starken Drucke gewichen. Wo das Augenlid mit dem Knochen des Stirnbeins einen Winkel bildet, ruht ein tiefer kreisrunder Schatten, der dadurch eingermaßen, aber noch nicht ganz erklärlich wird, daß das Licht von oben herabfällt und die Stirn und das Nasenbein voll beleuchtet. Für den vom Bilde Zurücktretenden ruft der kleine rnnde Schatten die Illusion der Pupille des geöffneten Anges hervor. Wo die Wimper mit dein unteren Lide zusammentrifft, lagert sich wiederum ein tiefer bläulicher Schatten, wie er sich nach dem Tode und selbst bei Lebenden einstellt, welche schwere Nachtarbeit, schwere Leiden und Krankheiten durchgemacht haben. Das Blut von der Stirn fließt über das rechte Ange auf die Wauge herab.

Dieser Anblick bietet sich dem Beschauer, wenn er dicht vor das Bild tritt. Entfernt man sich dagegen allmählich Schritt für Schritt, so öffnen sich nach und nach die Augen des Heilandes. Der dunkle Fleck auf dem geschlossenen Augenlide gewinnt Glauz und Leben, er hellt sich zu stumpfer Bläue auf und, wenn der Beschauer seinen Standpunkt etwa fünf Fuß von dem Bilde entfernt genommen hat, blicken ihn die weit geöffneten, halb verschleierten Augen des Heilandes schwermüthig an. Zu gleicher Zeit scheineu sich auch die übrigen Theile des Gesichtes zu beleben: Die Wangen scheinen voller zu werden, und die Lippen wölben und öffnen sich halb, als wollten sie fragen:Warum habt ihr mir das gethan?"

Dieses Kunststück entzieht sich bereits einer ernsthaften Kunstkritik. Man bedauert nur, daß ein immerhin vornehm veranlagtes Talent sich zu solchen gemeinen Jährmarktslniffen hergegeben hat und sich deu groben Humbug ge­fallen läßt, den der mit dem Bilde herumziehende Kornak aller Orten in Szene setzt. Aber Gabriel Max that noch ein mehreres: er malte zwei Pendants zu dem Christusbilde, Maria Magdalena und Judas Jscharivth, dort dieverklärte", hier dieverzweifelte" Reue, wie der Maler wiederum höchst geistreich seine Bilder nannte. Das Haupt des Selbstmörders hängt, von Raben umkreist, in