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Treitschke's Deutsche Geschichte.
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keiten, man möchte sagen zu den Liebhabereien Treitschke's, daß er gern einzelne konkrete Züge in die Darstellung der großen Weltbegebenheiten einflicht, um durch sie ein Allgemeines zu charakterisiren, namentlich, wenn dabei eine ge­müthliche Saite anklingt. Daß die armen Leinweber der schlesischen Landwehr bei Wartenburg sich vor der Schlacht noch gemächlich Pflcinmen von denselben Bäumen geschüttelt hatten, unter denen sie dann todt auf dem nassen Boden lagen, oder daß die Offiziere der Fünfundzwanziger das bei Belle-Alliance er­beutete Silbergeschirr Napoleon's der Lieblingstochter ihres Königs als Tafel- schmuck schenkten, sind an sich für die Weltgeschichte höchst gleichgiltige Dinge, aber doch sind sie trefflich geeignet znr Belebung und Kolorirung des Bildes.

So nebensächlich das zuletzt angedeutete Verfahren sein mag, so hängt es doch enger mit den Grundanschanungeu Treitschke's zusammen, als es auf den ersten Blick wohl scheint.Dem Historiker," sagt er selbst (S. 28),ist nicht gestattet, nach der Weise des Naturforschers das Spätere einfach aus dem Früheren abzuleiten. Männer machen die Geschichte. Die Gunst der Weltlage wird im Völkerleben wirksam erst durch den bewußten Menschenwillen, der sie zu benutzen weiß." Damit hat er klar und deutlich den Gegensatz einerseits zu Ranke, dem die Personen nur die Träger allgemeiner Ideen, andererseits zu der materialistischen Geschichtsschreibung, der sie nur die blinden Werkzeuge der Naturnothwendigkeit sind, bezeichnet. Die Geschichte ist ihm das Produkt der menschlichen Freiheit. Darum gestaltet sich ihm der geschichtliche Prozeß zum Drama mit Schuld und Sühne, mit freier Wahl der Mittel von Seiten der Handelnden und einem göttlichen Walten über allem Menschengeschick. Das ist der Punkt, wo sich der Historiker mit dem Dichter berührt, und Treitschke besitzt noch einen Ueberschnß über den einen Tropfen poetischen Blutes, den jeder wahre Historiker in den Adern haben muß. Eben daher stammt neben dem Kultus der Person, dem er offen huldigt, die stete Bereitschaft zur Aner­kennung aller lebensfähigen Kräfte im Gegensatz zu dem Absterbenden und Vergehenden, der richtige Blick, um das Große und Entscheidende zu sondern von dem Nebensächlichen und Anfälligen. Wenn er bei Erwähnung Cölln's, Messenbach's und Buchholz', als der Väter der gerade auf dem Boden Berlin's gedeihenden Tadelsucht,die eigenthümliche Unfähigkeit, die Dimen­sionen der Menschen und der Dinge recht zu sehen, das Große und Echte von dem Kleinen und Vergänglichen zu unterscheiden", als einen echt deutschen Charakterzug, als eine nationale Schwäche rügt, so spricht sich darin zugleich das gegensätzliche Bewußtsein von einer der hervorstechendsten Eigenthümlich­keiten seiner eigenen Art und Weise aus.

Aus diesem und keinem anderen Grunde hat Treitschke von jeher zu den Hauptverfechtern der preußischen Hegemonie über Deutschland gehört. Preußen