— 505 —
deutendsten Erscheinungen der volkswirthschaftlichen Weltliteratur werden. Die lebhafte Anerkennung, welche es bei der Leserwelt und bei der Kritik gefunden hat, und sein rüstiges Fortschreiten bewiesen gleicher Weise, daß es einem vielfach empfundenen Bedürfnisse entgegengekommen ist und in der That als ein schätzenswerthes Beförderungsmittel sozialwissenschaftlicher Erkenntniß betrachtet werden darf. Gerade auf diesem Gebiete ist es dringend nothwendig, zu den Quellen zurückzukehren, von denen man unendlich viel mehr spricht, als man von ihnen weiß. Wie viele von denen, welche die Namen von Adam Smith und Malthus auf der Zunge tragen, haben wirklich ihre Werke gelesen! In wie trüber und verdorbener Vorstellung gehen vielfach die grundlegenden Gedanken von Adam Smith selbst in gelehrten oder doch gelehrt thuenden Schriften um! Jeder gebildete Deutsche sollte es für eine Ehrensache halten, den berühmten Schotten ebenso zu kennen, wie Shakespeare nnd Byron. Unter diesen betrübsamen Zuständen kann die gedachte Bibliothek viel Nutzen stiften. Sie ist für den billigen Preis trefflich ausgestattet, die Uebersetzungen sind flüssig, gewandt, klar und stehen, wie schon der bekannte Name des Heransgebers verbürgt, auf der vollen Höhe des wissenschaftlichen Verständnisses.
Ein bedeutsamer Zweig der Weltliteratur gleichsam in der Nußschale sind A. Gehrke's „Kommunistische Jdealstaaten" (Bremen, Schünemann). Die kleine Schrift gibt die Quintessenz der vier berühmtesten Utopien; nach der Reihe führt sie Plato's Gerechtigkeitsstaat, Thomas Morus' Utopia, Canpanella's Sonnenstaat und Cabet's Jberien vor. Alle diese Staatsromane fast haben sprichwörtlichen Ruf gewonnen, aber ihr Inhalt war nur noch den Fachkennern ' bekannt und Laien um so schwerer zugänglich, als, von Cabet's Werke abgesehen, die übrigen in den altklassischen Sprachen abgefaßt sind. Neben dem dichterischen und kulturhistorischen Werthe dieser phantastischen Schriften war es wohl auch die Rücksicht auf die heutigen sozialen Erschütterungen, welche den Verfasser bestimmten, gerade jetzt diese fleißige und gelungene Arbeit zu veröffentlichen. Unsere Weltverbesserer pflegten die überraschende Neuheit ihrer Gedanken und Vorschläge überschwenglich zu rühmen, aber thatsächlich waren auch sie Ben Akiba's melancholischer Erfahrung unterworfen. Ihre Originalität war nur, uralte Träume den besonderen Verhältnissen der modernen Großindustrie anzupassen, eigenartig in der Kritik zu sein; in allem, was sie je über ihre neue Welt haben positiv verlauten lassen, sind sie nur sklavische Nachbeter der Utopisten gewesen. Man kann dies theilweise recht ergötzlich in Gehrke's Schrift verfolgen. Wenn beispielsweise Cabet in seinem Jberien noch eine vierzigjährige Arbeitszeit verlangte, war Herrn Most dies lange nicht schlaraffenhaft genug, und so setzte er die unbescheidene Znmuthung flugs auf ihren vierten Theil herab. Engels und Marx haben in der That gar keinen Grenzboten 1373. IV. 64