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Kaukasusvölker.
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säuertes Gerstenbrot, wird ihr hinaufgeschickt. Bleibt das Kind am Leben, so wird es vom russischen Popen getauft, erhält aber alte Chewsuren-Namen; die Knaben: Löwe, Wolf, Panther, Bär; die Mädchen: Sonnchen, Rose, Zitzchen, Perlchen, Schatz. Schon in der Wiege werden durch die Eltern Ehebündnisse geschlossen, doch wird die Ehe nicht vor dem 20. Jahre des Mädchens ge­schlossen, und es gilt für eine große Schande, wenn dem jungen Paare vor Ablauf der ersten vier Jahre ein Kind geboren wird. Daher sind die Ehen der Chewsuren sehr kinderarm. Die Zeremonie der Traunng findet am hei­mathlichen Feuerherde statt und sie ist dadurch interessant, daß der Priester die Kleider des jungen Paares mittelst einer Nadel zusammensteckt oder mit einem Faden aneinanderheftet. Selbst nach geschlossener Ehe bleibt das Ver­hältniß des Mannes zur Frau in der ersten Zeit ein geheimnißvolles, und es gilt für eine Schande, wenn der Mann seine Frau öffentlich liebkost oder mit ihr spricht. Ist das Weib mit dem Manne nicht zufrieden, so kann es ihn wohl verlassen, aber der Mann muß entschädigt werden. Das Maximum dieses Loskaufpreises beläuft sich auf 80 Rubel, die aber in Rindvieh bezahlt werden. Eine dem Manne losgekaufte Frau kann wieder heirathen. Untreue der Frau wurde früher durch Ohren- und Nasenabschneiden bestraft, und Radde sah noch im Dorfe Blo in dieser Weise verstümmelte Frauen.

Da der Chewsure (wie viele Naturvölker) glaubt, daß die Leiche das Haus verunreinige, so wird der Sterbende in's Freie gebracht, um dort den Geist aufzugeben. Dann kommt der Klageweiber Schaar, und das dramatische Leichen­gespräch beginnt, wobei der in seinen Kettenpanzer gehüllte Todte unter Anderem folgendermaßen augeredet wird:

Du schweigst noch? So soll Dein Siegesrnfen

Verstummen zu des Gegners eigner Freud'?

Steh Held der Helden auf! es rostet sonst Dein Schild,

Erblinden will die Schneide Deines Schwertes:

Und das zur Freude Deiner eignen Feinde!

O, laß noch einmal Deine Stimm' erschallen,

Die einst erschütterte die Felsenwände

Und in die Flucht vertrieb der Kisten Schaar.

Steh auf! Steh auf! und wie der Asche gleich

Verwehe ihren Sitz von dieser Erde.

O Gott! Er hört uns nicht und gibt uns keine Antwort.

Echt ritterlich folgt das Pferd des Hingegangenen im Trauerzuge. Die Beisetzung erfolgt in Steingräber; alle Gleichnamigen werden in ein und das­selbe Grab gelegt, die Leichen kommen im Laufe der Zeit übereinander zu liegen, und zwar schaufelt man die alten Knochen auf die neuen Leichen.

Eine Betrachtung der religiösen Verhältnisse dieses Völkchens zeigt es uns nominell als Christen, indessen mit mohammedanischen und heidnischen Bei-