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M. Baumgarten über die kirchenpolitische Lage der Gegenwart.
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beide Theile zusammenfügt, da ist es statthaft, eine solche volle Formel zur Anwendung zu bringen. Referent hat anf der preußischen Provinzial-Synode dieses Jahres als eine geeignete Fassung den Begriff desZusammengebens oder Vereinigens oder Trauens d. h. auf Treue hin Uebergebens" bezeich­net, der geschichtlich wohl begründet ist und auf mittelalterliche und reforma­tionsgeschichtliche Kirchenordnungen sich berufen kann, also auf eine Zeit zurück­geht, in welcher das Verlöbniß eheschließende Kraft besaß, und die Trauung den faktischen Beginn der Ehe vermittelte. Aber auch der Begriff des Zu­sammensprechens erscheint unter der Voraussetzung zulässig, daß er keine recht­lichen Beziehungen, sondern nur das sich durch das Wort vermittelnde Zu­sammengeben vermitteln will.

Von hierarischen Bestrebungen ist hier keine Spur, es handelt sich, wie gesagt, nur um eine liturgische Frage. Und man sollte eben deshalb sie daran gewöhnen, sie unbefangen und leidenschaftslos zu beurtheilen. Auf dem linken Nheinufer besteht bekanntlich seit einem halben Jahrhundert beides zu­sammen, die Zivilehe und das zusammensprechende Trauformular, ohne daß das Ansehen der ersteren gelitten und ohne daß das letztere Anstoß erregt hätte.

Wir haben damit hinlänglich die Angriffe Baumgarten's gegen eine orga­nische Verbindung zwischen Staat und Kirche auf ihr Recht hin geprüft. Unser Urtheil mußte dahin gehen, daß sie die Mängel derselben maßlos übertreiben und ihre Segnungen verkennen.

Anders stellt es sich, wenn wir die Angriffe, die Baumgarten gegen den Ultramontanismus und das Jnfallibilitäts-Dogma richtet, in das Auge fassen. Hier können wir nur unsere volle Zustimmung aussprecheu. Hier sind seine Darlegungen vortrefflich, der geschichtliche Nachweis von der noch immer fort­wirkenden berüchtigten Bulle Bonifaz' VIII. Ilnura SÄNctÄUi ist meisterhaft durchgeführt. Nur eiue Ergänzung und eine Ausstellung sei uns gestattet. Baumgarten's Schrift ist offenbar verfaßt vor dem Regierungsantritt Leo's XIII., und so konnte er auf die veränderte Lage der Dinge nicht Rücksicht nehmen. In Beziehung auf diese nur ein Wort. Daß wir nicht nach Canossa gehen werden, dafür bürgt uns die Persönlichkeit des Reichskanzlers, und wir siud ohne Sorge. Dagegen sind wir es nicht in einer andern Beziehung. Es ver­lautet, daß die Errichtung einer Nuntiatur in Berlin nicht außerhalb des Bereichs der Möglichkeit liege. Das würden wir auf das Tiefste beklagen. Es mag sein, daß die Verhandlungen mit Rom zeitweilig dadurch gefördert, unter Umständen sogar einem günstigen Ausgang entgegengeführt werden können. Ein Nuntins vermöchte ja auf die Führer des Zentrums und auf renitente Bischöfe im Sinne der Nachgiebigkeit gegen die Regierung einen Druck auszu­üben. Das ist alles möglich. Aber bei der Errichtung von bleibenden In-