Norddeutschland etwa 120 große und kleine Stifter — die seit dem Passauer Vertrage von 1552 von Protestantischeu Fürsten in Besitz genommen uud refor- mirt worden waren, die also seit vielen Jahrzehnten Theil genommen hatten an dem nenen geistigen Leben der evangelischen Territorien, sie sollten katholischen Landesherren übergeben, und, was nach der Anschauung jener Zeit die natürliche Konsequenz mit sich brachte, in die alte Kirche zurückgezwnugeu werden. 80 Jahre nationaler Entwicklung sollten ans der Geschichte gestrichen, die ganze Existenz einer Reihe evangelischer Fürstentümer in Frage gestellt werden. Und wofür? Für die starre Einheit des restaurirteu Katholizismus, für die Herrschaft des Rosenkranzes und der Heiligenverehrung, sür den gemüthlosesten geistlichen Despotismus, der prinzipiell jede freie Regung des Glaubens und der Wissenschaft -niederhielt und zu seinem eignen Bestände uiederhalten mußte. Eine fremde Bildung war es, die sich feindselig dem deutschen Leben entgegensetzte, unendlich verderblicher, als die vielgescholtene französische, welche Deutschland seit dem Ende des dreißigjährigen Krieges bemei- sterte; vom Gnadenbilde zu Loreto her hatte der Erzherzog Ferdinand sich die Kraft geholt zur Zerstörung des heimischen Protestantismus der Steier- mark; spanischer Geist war es, der den Kaiser vorwärts trieb; nicht zum geringsten Theil fremde Geistliche und fremde Truppen führten seine Pläne durch.
Gab es eine Rettung der Nation von so tödtlicher Gefahr, so konnte sie nur kommen von der Selbständigkeit deutscher Fürsten. Die Landeshoheit zahlloser kleiner und großer Herren zerriß die Einheit der Nation, aber vollends doch erst von dem Momente an, wo des Kaisers Tyrannei das Band hundertjähriger Ehrfurcht, das Volk und Fürsten an ihn fesselte, durchschnitt. Von diesem Augenblicke an war es erste Pflicht der Fürsten, sich ihrem Oberlehnsherrn zu widersetzen. Aber nnr eine hervorragende Persönlichkeit vermochte die Masse selbständiger und selbstsüchtiger Reichsstände zu geschlossenem Widerstaude zn vereinigen. Doch wo zeigt sich eine solche? Groß ist die Zahl wohlmeinender, sehr gering die Zahl geistig bedeutender Landesherren im damaligen Deutschland. Nicht in mangelndem Talent, vielmehr in den ungünstigen Verhältnissen lag das begründet. Aufgewachsen in engen Schranken, an kleinen Gesichtskreis gewöhnt, in starrem Konfessionalismus erzogen vermochte ein deutscher Fürst jener Tage nnr sehr selten zu einer weitherzigen Auffassung der Lage, zum Verständuiß großer Interessen hindurchzudringen. Und auch solche, deneu dies gelang, wie der vielgeschäftige Christian von Anhalt, der schon lange Jahre vor dem Ausbruche des großen Krieges alle Kräfte der evangelischen Welt gegen Habsburg hätte vereinigen mögen, oder der treffliche Moritz von Hessen, der schon im Jahre 1605 Kurfürst Christian II. von Sachsen aufforderte, „als das voruehmste Haupt des evangelischen Deutsch-