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der Aphrodite ihr Haar gelobt, wenn der geliebte Gemahl unversehrt ans der Schlacht heimkehre, bezanbernd schön, aber einem lebenden Bilde, einer theatralischen Attitüde gleich. Ein paar am Sockel angebrachte Verse, die, wenn ich nicht irre, einem Drama Alfieri's entnommen sind, bezeugen übrigens den Znsammenhang mit der Bühne.
Wo Berenice mit ihren Haaren prunkt, kann Kleopatra nicht fehlen. Die egyptische Königin liegt in der Toilette einer Isis oder einer Venns — man weiß, was das zu sagen hat — auf einem üppigen Ruhebette und erwartet den Antonius, den sie so schnöde bei Actium verlassen, um den Schwächling durch die bestrickenden Reize ihrer herrlichen Gestalt wieder zu versöhnen. Das Bildwerk steht inmitten des Hauptsaals der italienischen Kunstausstellnng, von Palmen und Blattpflanzen umgeben, von einem milden, dnrch ein Velarium gedämpften Lichte Übergossen. Bei einem solchen Arrangement, das übrigens den meisten italienischen Marmorfignren zn Theil geworden ist, konnte die Wirkung dieses interessanten Werkes nicht ausbleiben. Der Schöpfer desselben, Papini in Florenz, hat der Zauberin von Alexandria übrigens nicht, wie üblich, den griechische» Typus verliehen, sondern er hat sie als Egypterin gebildet. Ihre wulstigen Lippen und ihre aufgeworfene Nase haben sogar einen stark äthiopischen Charakter. Diese Version hat dem alten, oft behandelten Thema unleugbar einen neuen Reiz hinzugefügt.
Wie die französischen Maler stehen die italienischen Bildhauer in der Behandlung des nackten weiblichen Körpers ohne Rivalen da. Selbst die französischen Bildhauer kommen ihnen darin nicht gleich. Neben den italienischen erscheinen ihre Aktfiguren fade und langweilig. Die Naivetät des südlichen Lebens, der Zusammenhang mit der klassischen Tradition, der in der Plastik uoch lebendig wirkt, während er in der Malerei längst erloschen ist, die Schön- heitsfreude und Begeisterung, welche alle Volksschichten gleichmäßig dnrchdringt, find die mächtigen Hebel, welche der italienischen Plastik zu diesem Vorzüge verholfen habeu. Es ist wahr: diese badenden Aphroditen, diese nackten Sklavinnen, diese Frauen bei der Toilette, dieser Egypterinnen, — sie haben alle eine gewisse Familienähnlichkeit mit einander; ^sie sehen aus, als wären sie alle, wie die Athleten des Polyklet, nach demselben Kanon gemacht. Aber dieser Kanon ist der der Schönheit, einer regelmäßigen, die das Charakteristische, das Wahre vermeidet, wo es unschön wird, einer Schönheit, die weit entfernt ist von der keuschen, naiven Griechenlaud's, die aber darum uoch nicht in das Frivole verfällt. Es ist das Schönheitsideal des modernen Geschmacks, das Schönheitsideal Canova's, dessen Aphroditen und Nymphen man es ansehen kann, daß sie sich eben entkleidet haben. Vielleicht ist jene Familienähnlichkeit auch auf die technische Behandlung des Marmors zurückzuführen,