gekommen. In Frankreich, später in Spanien, ist sie gelungen, in Deutschland damals an der Stärke der lokalen Kräfte, in Italien an dem Mangel jeder nationalen Gewalt gescheitert. Aber instinktiv schließen sich auch hier überall die Städte und Edelleute zu großen Bündnissen aneinander; in Italien nimmt ein Städtebund den Kampf mit dem Kaiserthnme aus, in Deutschland vereinigt die Hansa die Gemeinden von Köln bis Reval. Und ans einem Gebiete bahnt sich anch hier die nationale Einigung an: der toskanische Dialekt wird zur Sprache des ganzen gebildeten Italiens, und in schwäbischer Mnndart dichten die Sänger in Wien und auf der Wartburg.
Man kann zunächst allerdings fragen: „Hat denu das alte Griechenlaud dieser wunderbar schöpferischen Zeit unseres Mittelalters, hat es vor allem den Kreuzzügen nur entfernt etwas Aehnliches an die Seite zu setzen?" Man muß gestehen: so von einem Impulse geleitete Bewegungeu hat es allerdings nicht gesehen; aber in bescheidener Form stehen doch die Kolonistenfahrten und die Kolonialgründungen der Griechen ans derselben Stufe. Denn neben ihren politischen und kommerziellen Motiven, von denen sie überwiegend geleitet werden, steht auch ein religiöser Zng; in Delphi, dem — man gestatte den Ausdruck — kirchlichen Mittelpunkte der griechischen Welt, fragt gläubig die Gemeinde, die ihre Söhne dem wilden Meere anvertrauen will, um Rath; vom Herde der Mutterstadt wird das heilige Feuer, sorgsam bewahrt, uach der Kolonie hinübergeführt; dieselben Kulte, wie dort, gelten auch hier. Uud nicht eben weit stehen diese Fahrten an Ausdehnung hinter denen der Kreuzzugsepoche zurück. Die Griechen, Milesier und Phokäer, Rhodier und Korinthier voran, werden heimisch nnter den Palmen Aegyptens am heißen Nilstrande, im Schneegestöber am Don, unter der Rauchsäule des Aetna, an der Felsmauer der Pyrenäen, ihre Karavanen ziehen bis Ostasien und bis nach Babylon. Auf ihren Märkten sehen sie die Fische und das Getreide der Pontusländer, das Silphium von Kyrene, die Edelsteine und Perlen Indiens. Unendlich erweitert sich der geistige Gesichtskreis; die verschiedenartigsten Menschen und Zustände treten in ihn ein: der Despot des Ostens und der Steppenhänptling Südrußlands, die uralte Kultur Aegyptens und das Hirteuleben Siziliens. Da erwacht anch hier durch Vergleichung die Kritik, die geistige Selbständigkeit, die Persönlichkeit. Kraftvolle, eigenartige Menschen tauchen auf, vor allem die großen Tyrannen, nicht mehr Typen, sondern Charaktere. In dem an: weitesten fortgeschrittenen Jonien beginnen helle Köpfe den naiven Götterglauben anzuzweifeln, zn forschen nach dem Wie und Warum der sie umgebeudeu Dinge; verwegen setzt bereits Xenovhcmes von Kolophon dem Polytheismus einen schroffen Monotheismus entgcgegen. Aber auch aufzubauen verflicht die ueue Zeit. Aus der Beobachtung der Menschenwelt leitet sie sittliche Lehrsätze und