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Aus Karlsbad.
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orten jetzt entschieden die Oberhand. Die Aristokratie zieht sich von den Welt­bädern, wo die Heilquellen die Hauptsache sind, mehr und mehr zurück und flüchtet sich in die eigentlichen Luxusbäder, wo der plebejische Troß sich noch nicht breit macht. Dies kann man im Henrigen Sommer recht deutlich auch in Karlsbad beobachten: nicht ein einziges gekröntes Haupt, und wäre es auch nur der Fürst vou Schaumburg-Lippe, welcher doch an der berühmtenalten Wiese" sogar einen Hoflieferanten hat, beglückte bis jetzt Karlsbad mit seiner allerhöchsten Gegenwart; die Kurliste ist sogar nicht immer in der Lage, nach alter Sitte eine jede ihrer Nummern wenigstens mit einem Grafen oder Baron zu eröffnen.

Einen empfindlichen Ausfall für die Karlsbader verursacht diesmal das fast gänzliche Wegbleiben der Russen, Rumänen und sonstiger Völkerschaften des Ostens, denn diese lassen nicht nur überhaupt das Geld viel leichter rolleu als die bedächtigen, sparsamen Deutschen, fonderu sie benutzen die Badereise auch dazu, um ihren Bedarf an Kleidern, Schuhen und andern häuslichen Bedürfnissen in Karlsbad einzukaufen, da sie hier viel besser und billiger dazn kommen als in ihrer Heimat. Bei den Karlsbader Handwerkern nnd Laden­inhabern steht die russische Kundschaft obenan. Was demnach der Henrigen Badegesellschaft an Qualität abgeht, muß durch die Quantität ersetzt werden; anch hier gilt der Trost: die Masse muß es bringen.

Trotz der auch in diesem Jahr gestiegenen Frequenz ist über Mangel an Wohnungen oder übertriebene Miethpreise nicht zu klagen. In den letzten Jahren ist sehr viel und meist anch recht geschmackvoll gebant worden. Die Schwindelperiode, welche im Uebrigen so große finanzielle Verheerungen ange­richtet, hat doch auf dem Gebiete der Bauthätigkeit auch manches Gute ge­schaffen. So hat eine Wiener (oder Prager?) Baugesellschaft eine sumpfige Wiese, oberhalb des Militärbadehauses, welche sie für 50,000 Gulden ange­kauft, in eine der schönsten Straßen Karlsbads, die Parkstraße, umgewandelt, deren Häuser mit Wiener Eleganz gebaut und eingerichtet sind. Und trotz des hohen Kaufschillings hat die Gesellschaft aus dem Verkauf der Baustellen doch eiuen ganz erklecklichen Gewinn herausgeschlagen. Rechtwinklig auf die Parkstraste stößt eine ebenfalls neue-Straße, die nicht minder elegante Garten­zeile, deren Häuser den Blick auf den schönen, nenangelegten Stadtpark haben. Die Quartiere in diesen beiden neuen Straßen sind jetzt die gesuchtesten; sie machen deralten Wiese" eine gefährliche Konkurrenz, wenn diese auch noch immer auf ihren alten Ruhm pocht und beispielsweise eine dortige Hauswirthin, welche ein schmales einfenstriges Zimmer zu hohem Preise anbot, auf die des­halb gemachten Einwendungen erwiederte:Ja, gnädiger Herr, alte Wiese bleibt alte Wiese."