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Zur Erinnerung an Julius Otto.
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Zur Lnnnerung an Julius Mo.

Moritz Hauptmann hat in seinen kürzlich veröffentlichten Briefen an Spohr, die wieder ebenso wie die früher herausgegebenen an Haufer reich sind an allerhand wohlthuenden ästhetischen Ketzereien, auch eine Aeußerung über Männergesang, die mir, wenigstens gegenüber neueren und neuesten Er­eignissen ans diesem Felde, wahrhaft aus der Seele geschrieben ist. Er sagt: "Ganz allgemein genommen mag ich überhaupt die Münnerchöre nicht; es ist Musikalische Unnatur, Männer vierstimmig singen zu lassen, und bleibt immer ^ne monotone Quälerei. Der vierstimmige Gesang ist für Männer und Trauen, und daß die Herren in ihren Liedertafeln sich allein amüsiren wollen baß man dieses Abschließen der Musik auhört, ist eben das Unschönste daran."' ^e Richtigkeit dieses Wortes wird uns recht eindringlich fühlbar, wenn wir dazu verurtheilt find, jetzt ein Konzert eines größeren Mänerchores mit an­hören zu müssen. Unter drittehalb bis drei Stunden thun es diese Herren "le, sie stnd in der Regel von einer wahrhaft beängstigenden Freigebigkeit. Und das Programm? Imersten Theile" stets irgend ein großesTonstück" für Soli, Chor und Orchester, dessen Sujet mindestens der altnordischen Sage oder dem griechischen oder römischen Alterthum entnommen ist, die Chöre wo­möglich sechs- oder achtstimmig mit mächtiger Blechbegleitnng; imzweiten Theile" dann eine lange Reihe kleinerer Novitäten, alle natürlich speziell zu ^hren des Vereins komponirt uud ihm gewidmet von dem nnd dem, endlich damit doch auch der großen Masse etwas geboten werde, ein paarLieder im Volkston", Schnadahüpfel für den Salon, gewürzt durch mundartliche Texte, "der auchechte" Volkslieder, aber nur bei Leibe keine deutschen, sondern Mindestenserbische",esthnische" oderdalekcirlische" mit obligatem Falset und Rodlern geflötet von langhaarigen, vollbärtigen Sangesbrüdern! das ^ das korrekte Programm eines Männergesangvereinskonzertes vom neuesten schnitt. Welche Erquickung, wenn dazwischen einmal ein einfaches Lied, von ^"er Frauenstimme gesungen, erklingt! Der moderne Männergesang ist von ^"hr zu Jahr vornehmer, gespreizter, akademischer geworden, er hat mehr und Mehr seinen natürlichen Ursprung, sein eigentliches Wesen und die von der ntnr ihm gesetzten ästhetischen Schranken vergessen, ohne doch etwas andres "bei gewonnen zu haben, als das, was Otto Iahn seiner Zeit schon von Männerchören imLohengrin" schrieb:Liedertafelcharakter mit etwas lenierem Parfüm"; von einer wirklich künstlerischen Steigerung kann nicht dle Rede sein.