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so konnte das damals für den Fernerstehenden nicht ganz unzweifelhaft sein. In Hannover hatte man, meiner Erfahrung nach, für Oesterreich gar keine Sympathien, für Preußen freilich auch nicht, aber Niemand vermochte sich damals eine Theilnahme des Staats für Oesterreich vorzustellen; man wußte recht gut, daß in diesem Falle das Land sofort von preußischen Truppen occupirt werden würde, und hielt deshalb die Neutralität wie für das Klügste so für das Wünschenswertheste. Aus Sachsen kamen die widersprechendsten Nachrichten von den Absichten der Regierung; auch hier schien die Bevölkerung durchaus nicht für Oesterreich gestimmt, der Anschluß an dasselbe nicht absolut ausgemacht; eher meinte man einen Rückzug der Armee nach Baiern für wahrscheinlich halten zu müssen. So war Alles in peinlicher Ungewißheit.
Da brachten das Scheitern des Congresses, die Einberufung der holsteinischen Stände seitens Oesterreichs die Kugel ins Rollen. Am 8. Juni traf die Nachricht vom Einmärsche der Preußen in Holstein, von der Vorbereitung der dort stehenden Oesterreicher, Brigade Kalik, zum Rückzüge ein. Wenn dabei eines das friedfertige Göttingen allgemein interessirte, so war dies der Gedanke, daß man nächster Tage die abziehenden Oesterreicher hier haben werde, denen man nur ein sehr allgemeines menschliches Interesse, aber durchaus keine politische Sympathie entgegenbrachte. Aber wiederum folgten Tage dumpfer Schwüle; man vernahm aus Sachsen von militärischen Vorbereitungen und doch friedlichen Erklärungen der Regierung dem Landtage gegenüber, der seinerseits in der Hoffnung auf Neutralität die geforderten Summen bewilligt habe; aus Preußen von Friedensadressen und dem Wunsche des Königs, das Einvernehmen mit dem Landtage wiederherzustellen. Als Erleichterung für Viele wirkte da ein Artikel Trettschke's in den „Preußischen Jahrbüchern", der für den bevorstehenden Krieg den Charakter eines Befreiungskampfes von Oesterreich in Anspruch nahm und die deutschen Liberalen auf. forderte, ihr Mißtrauen fahren zu lassen gegen Herrn von Bismarck, der zum ersten Male seit langer Zeit eine energische auswärtige Politik inaugurirt habe, und für den es doch kein schlechtes Lob sei. „daß ihn Preußens Feinde hassen wie den Gottseibeiuns."
Die nächsten Tage schon verscheuchten jeden Zweifel, daß das Aeußerste. daß der Krieg ganz nahe sei und rissen die friedliche und bestürzte Musenstadt in das betäubende Getümmel kriegerischer Bewegung. Der 12. Juni brachte die Kunde von dem Antrage Oesterreichs auf die sofortige Mobilistrung der außerpreußischen Bundescontingente, zugleich von dem Uebergange der Oesterreicher über die Elbe nach Harburg; Hannover hatte den Durchmarsch verstattet. Schon am nächsten Morgen langten die ersten österreichischen Truppen in Göttingen an. Eine Menge Neugieriger hatte sich selbstverständlich auf Grenzboten II. 1876. ^ '