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Fischbein, seine Backen sahen aus vor Forcht wie ein ungebleichter Zwirn, und ein jeder Anblick auf diesen Fahn gedunkte ihm, gleich würde sein bebendes Herz mit tausend Nadeln zerstochen. Derowegen seufzte er in diesem großen Elend zu Gott und verspräche, nicht allein alle Fleck wieder zurückzugeben, sondern auch hinfüro nicht das geringste Flecklein mehr zu entwenden und unter den Tisch fallen zu lassen. Berufet auch zu größerer Bestätigung seines Gelübdes den Altgesellen mit Vermelden, daß, wann ihm der Allerhöchste von dieser gefährlichen Krankheit aufhelfen würde, er mithin wiederum seinen Verrichtungen abwarten und die Kleider zuschneiden sollte, der Altgesell allezeit den Meister Schneider zu vermahnen habe: Meister, gedenkt auf den Fahn. Was geschieht? Der Schneider wird besser, die Kräften nehmen zu, und Signor Capronymus merkt, daß er nunmehro im Stande feie, die große Scheer zu halten; treibt dannenhero, wie er gepflegt, wieder sein voriges Handwerk, da dann der Altgesell, so oft sein Meister ein Kleid zugeschnitten, keineswegs vergessen, zu sagen: Meister gedenkt auf den Fahn. Einsmals bestimmte ein vornehmer Herr ein Kleid bei dem Schneider und erkaufte hierzu ein reiches Goldstück (Goldbroccat), als es aber zu dem Zuschneiden kommt, sticht den Schneider der schöne Zeug in die Augen, vergisset darüber sein Gott gethanes Versprechen, schneidt einen großen Fleck, so just auf ein Weiberhauben genug wäre, davon weg und läßt ihn hinter die Bank fallen. Alsobald schreit der Gesell: Meister, gedenkt auf den Fahn! Aber Signor Urian kehrt sich wenig daran, sondern widerseht dem Gesellen: Narr, laß mich schneiden, dieser Fleck ist nicht in dem Fahn gewesen. Hat also nach erlangter Gesundheit seine saubern Stücklein wieder fortgetrieben und ist der alte Schneider blieben."
„Des Kaisers Dioeletiani Landvogt Dulettius wußte an einem Orte drei edle schöne Jungfrauen, welche ganz fromm und Christo dem Herrn ihre Jungfrauschaft gewidmet hatten. Es wollte aber solche Lilien der liebtobende Landvogt selbst abbrocken, stürmet derentwegen bei nächtlicher Weil das Haus dieser englischen Nymphen, wird aber durch eifriges Gebet derselben von Gott also wunderlich verblendet, daß er den geraden Weg der Kuchel (Küche) zueilet, und sind ihm allda die rußigen Kessel und Pfannen vorkommen wie die Jungfrauen, daher er dieselben die ganze Nacht durch stets geküßt und gebützt, umfangen und gehalst und nicht anders vermeint, als habe er, was er verlangt. Den andern Tag nahm er den Weg nach Haus mit großem Contente, verwundert sich aber, daß ihm die übermüthigen Gassenbuben also nachlaufen und ihn für einen Narren ausrufen, ja etliche flohen vor ihm, der Meinung, er sei der lebendige Teufel, viel haben ihn mit Steinen und Prügeln der- gestalten bewillkommnet, daß er mit schnellem Fuß nach Haus geeilt, und geschwind sich vor den Spiegel gestellt; da hat er mit Bestürzung gesehen, daß