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Die Socialdemokratie und die deutsche Presse.
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schichten" oderhirnverbrannter Unsinn" zc. wäre, auch für die geistige Mit­telklasse, welche doch das Hauptcontigent der Zeitungsleser bildet, und es keines orientirenden Wortes bedürfte; oder als ob Volkswirtschaftliches nur in akademische Hörsäle, Fachschriften und Regierungseollegien gehörte, und nicht eine hochpolitische Seite hätte. Ueberwindung kostet allerdings jedem gebildeten Geschmacke eine täglich wiederholte Wanderung durch socialdemo­kratische Zeitungsspalten, erheischt aber etwa der Beruf von Gerichtsärzten, Naturforschern, Entdeckungsreisenden weniger Geduld und Selbstverleugnung?

Zutreffend ist, was dieConcordia" unterm 5. Febr. über die auf § 130 des Strafgesetz bezügliche Reichstagsverhandlung sagt. Aus den Aeußerungen mancher angesehener Redner geht hervor, daß sie über das Wesen des Socia­lismus zumal des heutigen, wenig und zum Theil falsch unterrichtet sind. Ist das nun schon der Fall bei Männern, von denen die Gesetzgebung abhängt, was läßt sich erst von der Masse des Bürgerstandes erwarten?

Grade der Liberalismus hat, wie auch mehrere seiner Vertreter ausdrücklich anerkennen, mehr als alle andren Richtungen Ursache, die socialistische Be­wegung auf Schritt und Tritt sorgsam zu beobachten und zu bestreiten, nicht weil er von der Socialdemokratie am bittersten gehaßt und am heftigsten ge­schmäht wird, sondern weil seine Existenz davon abhängt, daß jene auch nicht vorübergehend zur Herrschaft gelangt. Eine solche wäre der Tod des Libe­ralismus und in seine Erbschaft würde sich Absolutismus und Ultramonta­nismus theilen. Der Erstere denkt und sagt:Fahrt nur so fort, das ist das einzige Mittel, die Massen zu überzeugen, daß eure gepriesene Freiheit und Selbstverwaltung die abschüssige Bahn ist, auf welcher alles zu Anarchie und Materialismus hintreibt. Daraus wird alsdann unser Feudalstaat wieder­erstehen." Die Klerikalen gehen von den nämlichen Prämissen aus und folgern nur, daß ihr Reich sich dann ausbreiten und für alle Zukunft befestigen werde, weil in einem großen Chaos die katholische Kirche die einzige orga- nisirte Macht sein würde.Mag auch eine Anzahl Geistlicher niedergemetzelt werden, Märtyrerblut ist der Kitt für die Bausteine der Kirche." Socialisten und Klerikale sind einander abgeneigt, Haffen aber doch noch weit inniger das deutsche Reich und den Liberalismus, gehen deshalb naturgemäß, so lange dieser herrscht, Hand in Hand und stimmen überall wo sie sich zu schwach fühlen, den Candidaten der eignen Partei durchzusetzen, für einander. Für das freisinnige Bürgerthum ist es somit eine Lebensfrage, alle seine geistigen und sittlichen Kräfte gegen den Socialismus ins Gewehr zu rufen. Wir dürfen nicht wähnen, daßseine Extravaganzen mit der Zeit schon von selbst aufhören werden," nicht meinen, mit kleinen Mitteln, wie Hilfskassen, Fortbildungsschulen, Volksbibliotheken :e. schon alles gethan zu