41«
Koderick Hudson.
Amerikanische Novellisten 2. u. 3. Bd. Noderick Hudson von Henry James jun. Uebersetzt von Moritz Busch. Leipzig, Fr. W. Grunow, 1876.
Dieser Roman des geistvollen und gemüthreichen Verfassers der in Nr. 7 d. Bl. charakterisieren Novellensammlung hat zum Helden einen jungen Amerikaner von genialer künstlerischer Begabung, welcher nach einer kurzen Periode glänzender Leistungen durch eigne Schuld die ihm innewohnende Schöpferkraft verliert, an ihrer Wiederkehr verzweifelt und in halben Wahnsinn versinkt, aus dem ihn zuletzt der Tod in Gestalt eines Unfalls in den Schweizerbergen befreit. Der Gang der Geschichte ist etwa folgender. Mallet, ein reicher Neuyorker, der mit seiner vollen Börse gern etwas Gutes und Nützliches stiften möchte, aber nicht weiß, wie er das anfangen soll, lernt während eines Besuchs bei einer Verwandten in einer amerikanischen Kleinstadt in dem Virginier Roderick Hudson einen jungen Mann kennen, der Advocat werden soll, aber mehr Neigung zum Bildhauer hat und diese Neigung durch Arbeiten rechtfertigt, welche außergewöhnliches Talent verrathen. Mallet glaubt jetzt den Weg gefunden zu haben, auf dem er seinem Triebe, sich nützlich zu machen. Genüge thun kann. Er will Roderick die Mittel geben, sich in Rom zum Künstler ersten Ranges auszubilden, und ihn als Berather dorthin begleiten. Jener geht mit Freuden darauf ein. Sie reisen, nachdem Roderick sich noch in der Eile, er weiß nicht recht warum, verlobt hat, sie kommen nach Rom, studiren mit einander die dortigen Kunstschätze, genießen, was die ewige Stadt sonst Gutes bietet, und Alles läßt sich eine Weile vortrefflich an. Roderick fühlt, wie der Schöpfertrieb sich in ihm regt, er geht mit Begeisterung für sein Ideal an die Arbeit und hat in kurzer Zeit zur Freude seines Freundes und Gönners einige vollendet schöne Statuen geschaffen.
Allmälig aber kehrt sich die dunkle Seite des jungen Künstlers heraus. Er ist ein Egoist, ohne Sinn und Empfindung für das, was die Pflicht gebietet, schwach der Versuchung gegenüber, zu schwach auch, um sich aus momentaner Erschlaffung seines Talents wieder aufzuraffen, bald stolz und hochfahrend, bald kleinlaut und niedergeschlagen. Vergebens bemüht sich sein Freund, ein hochgebildeter Mann von viel Gefühl und wenig Temperament, selbstlos und geduldig, ihm als Mentor auf den rechten Weg zu- rückzuhelfen.
Eine kurze Zeit scheint ihm das gelingen zu wollen. Jetzt aber tritt in Christina Light, der dritten Hauptfigur des Romans, die stärkste Versuchung an den für weibliche Schönheit besonders empfänglichen Roderick heran.