AZZ
unsre Tage führt, daß eine ältere Schrift über das Jahr 1848 neu erscheint, und zwar bezeichnend genug nicht wieder als eine „Komödie", sondern als „ein weltgeschichtliches Drama", mit Prolog und Epilog. Daraus will ich das Wichtigste heranziehen und Einiges mit dem Verfasser besprechen.
Ohne den idealistischen, äußerlich gescheiterten Versuch der deutschen Einigung und Befreiung im Jahr 1848 hätte die realistische That des Jahres 1866 und die Aufrichtung des neuen Reiches 1870 und 1871 nicht geschehen können; beide Vorläufer waren nothwendig. Scherr ist berechtigt zu schreiben: „Hätten wir nicht für den Gedanken der Demokratie gestritten und gelitten, die constitutionell parlamentarische Staatsform wäre zur Stunde noch nicht das politische System des civilisirten Europas. Und hätten wir nicht in unserer Weise die Verwirklichung der deutschen Einheitsidee angestrebt, hätten wir nicht den Funken des Nationalgefühls zu einer unauslöschlichen Flamme anschüren geholfen, so wäre jetzt nicht das deutsche Reich eine staatsrechtliche Thatsache. Daß der deutsche Einheitsgedanke nicht mittels parlamentarischer Theorie, sondern mittels politischer Praxis, nicht im sanften Gesäusel ruhiger Bildung, sondern in tobendem Schlachtensturm, nicht mittels Worten und Weisen, sondern mittels Blut und Eisen verwirklicht wurde, war ganz in der, weltgeschichtlichen Ordnung;" — aber es konnte doch nur geschehen weil die Ideen im Bewußtsein des Volkes klar geworden, weil die Bildung vorangegangen; „das deutsche Schwert konnte auch 1870 nur so großes vollbringe" weil das deutsche Buch ihm vorgearbeitet hatte." Es bedarf der Gedanken und ihrer Ausbreitung im Volk, es bedarf der Tüchtigkeit des Volks und zugleich der leitenden Männer. „So hat der Staatskünstler Bismarck zeigen können, daß und wie man die Politik zu einer grohstilifirten Kunst der nationalen That zu machen vermöge, und der Kriegskünstler Moltke hat bei den größten aller Zeiten seinen Stand genommen." Scherr bekennt offen, daß was die deutschen Patrioten mit Ausschluß der Phantasie 1848 gewollt, heute erfüllt sei. Er schmollt nicht darüber, daß es auf anderem Wege geschehen als viele gedacht. Der Fürstencongreß 1863 hatte die Einigung nicht gebracht, und eine demokratische Revolution wer hätte die machen sollen? „Wie. wo, wann, womit? Etwa aus dem Stegreif, auf der Bierbank, zwischen Früh- und Vcsperschoppen und mittels Phrasen? Ah man kennt die Schwätzer, die sich gegenseitig als große Männer beweihrauchten, aber nichts vor sich hatten als ihre Dummheit, nichts in sich als ihre Eitelkeit, und nichts hinter sich als die Makulatur ihrer Winkelblätter." Scherr bleibt für sich Republikaner- aber er sieht, daß Deutschland zur Zeit monarchisch gesinnt ist; — und eine niederbairische, oberpfälzische Republik der vo v Klerus gegängelten Bauern.--- davor sind wir Gottlob! noch sicher! Er stellt das Vaterland über die Partei, wie sv viel tüchtige Männer. Demokraten und Großdeutsche, mit ihm ge-