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Eine Kunstgeschichte in Biographieen.
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was nicht weniger heißt, Vorbilder geblieben bis auf den heutigen Tag. Sie waren Glückliche. Großer Bahnbrecher und Neuerer zu sein, ist selten eine rein beglückende oder nach dem gewöhnlichen Maßstabe voll lohnende Auf­gabe. Wer neue Weltanschauung oder große Umwälzung bringt, neue Welten ahnt und sucht, darf den Gang durch Hölle und Fegefeuer der entgegenstehen­den Ueberzeugungen und Vorurtheile nicht scheuen und den Sturz nicht fürch­ten, wie er sich in's Ungewisse hineinwagt. (?) Aber angesichts schon vor­liegender Errungenschaften, sicher über Ziel und Wege, dicht hinter den Bahn­brechern folgen, als Jünger der neuen Ueberzeugung das neue Thun für das einzig Wahre und Richtige halten, sich ein den Kräften angemessenes begränztes Gebiet erwählen, um es nach den neuen Ideen zu beherrschen, das ist nicht so großartig, aber sicher, gut, richtig und es lohnt. An der Kraft zehren nicht Zweifel, Schwanken und vergebliches Ringen. Da ist Zufriedenheit, wie nur Beschränkung sie zu geben vermag. Bei Begabung und Ausdauer sind die Erfolge verbürgt. Keine Frage! Hier blüht nach gewöhnlichem Urtheil das wahre Glück."

Nun vergleiche man damit ein paar Sätze aus Wilhelm Schmidt's Dar­stellung :Sehr gern theilten wir dem Leser das Geburtsjahr Martins mit, wenn wir es nur selber wüßten. Ja wenn's nur ein paar Stündlein oder Jähr­lein wären, um die sich die Gelehrten streiten, aber das geht gleich um 20 bis 30 Jahre. Und Herr Martin war nicht so gefällig, uns auf dem erwähn­ten Porträt sein Alter auf Jahr und Tag anzugeben, und hat noch die Malice gehabt (es kann freilich auch ein Anderer gewesen sein), die Jahreszahl darauf mit einem Achter zu versehen, den manche auch für einen Fünfer gehalten haben. 1433 und 1483 ein Unterschied von 30 Jahren!" Das klingt, gegen Lcmcke gehalten, so urgemüthlich, als plauderte mit uns der rheinlänvische Hausfreund in Hebel'sSchatzkästlein".

Wir wollen keineswegs sagen, daß wir ein derartige forcirt naive Sprache für das Ideal von populärer Darstellung hielten. Das Richtige liegt wohl in der Mitte: eine einfache, verständliche und doch des Gegenstandes würdige Ausdrucksweise. Diese scheint uns unter den bisherigen Mitarbeitern O. Eisen­mann am besten getroffen zu haben.

Es kann uns nicht in den Sinn kommen, vom Herausgeber zu verlangen, daß er hier in gewaltsamer Weise nivelliren, alle Individualität der Mitarbeiter unterdrücken und die Darstellung auf einen trivialen Durchschnittston stimmen sollte. Allein die allzu großen Gegensätze etwas zu mildern und auch auf diese Weise dafür zu sorgen, daß das schöne Werk am Ende nicht bloß äußer­lich, durch den Buchbinder, sondern auch innerlich zu einem wirklichen Ganzen sich gestalte, das dürfte doch eine Ausgabe des Herausgebers sein. Augen­blicklich mag wohl zu ihrer Lösung noch nicht ganz der rechte Modus gesunden Grenzboten III. 1875. 62