23t»
reich und die verhältnißmäßige Gleichgiltigkeit des Klerus bei dieser tragischen Katastrophe anknüpfenden Briefes sind werth, übersetzt zu werden:
„Durch die Gesetze und die Phaenomene der Natur erweckt Gott den Geist und das Nachdenken eines Jeden, während Ihr, unsere Hirten und Seelenlenker, dabei gleichgiltig bleibt und alles thut, um die Intelligenz und das Gefühl von der Würde des Menschen zu ersticken. . . . Mehr als Einer hat darin klar gesehen, und nachdem ich früher Euer Schüler und treues Pfarrkind war, bin ich seither eifriger Leser der „Dlro clli-6ti«z»nv" geworden mit vielen meiner Kameraden. Jetzt begreifen wir die Religion und ihre Pflichten, wiewohl das alles sich ganz und gar von dem unterscheidet, was Ihr uns auf den Katechismus-Bänken in den Kirchen von Colmar, Hagenau u. f. w. gelehrt habt'. . . . Die Kinder von heute sind nicht mehr die nämlichen, wie vor 80 Jahren. Die Zeiten haben sich geändert, und die Schuld daran liegt ebenso sehr und noch viel mehr an Euch, als an den Zeitumständen, welche Ihr anklagt. Ihr, meine Herren, Hirten einer großen Heerde, die Ihr Beispiele der Güte und christlichen Liebe geben solltet, was thut Ihr? Anstatt den Kindern die Religion zu lehren in ihrer erhabenen Größe der werkthätigen Liebe, prägt Ihr ihnen die überlebten Traditionen eines mit Haß und Aberglauben angefüllten Katholizismus ein; anstatt ihnen die der allgemeinen Religion schuldige Achtung zu lehren, unterrichtet ihr sie, sich gegen alles zu sträuben, was nicht in Euren Kram paßt. Noch mehr: Ihr reizt sie zu Haß und Verachtung gegen Andersgläubige, Ihr wollt aus ihnen willenlose Instrumente in Eurem Dienste machen; und anstatt aus ihnen Bürger eines großen Staates zu erziehen, groß durch seine Verdienste und Arbeiten auf allen Gebieten der Cultur, durch seine Intelligenz, wollt
Ihr aus ihnen die Henker Eurer Gegner machen.....Kehrt zurück,
meine Herren Pfarrer, zu den ruhigen Zeiten von einstmals, wo der Pfarrer der geachtete und verehrte Lehrer des Kindes war, wo er ihm eine Religion lehrte, deren Vorschriften von Haß und Intoleranz weit entfernt waren- Zeiget dem Kinde den Schöpfer als Gott der Liebe und des Erbarmens, der sich den Menschen offenbart in seinen großen und erhabenen Werken. Oeffnet das Auge desselben für die Wunder der Schöpfung. Die Natur in ihrer Größe ist ein weit besserer Führer für die Jugend, als Eure Rathschläge voll Mysticismus und die ewigen Drohungen mit Hölle und Fegefeuer. Lehret den Kleinen eher Gott und die Menschen zu lieben, als ihnen fortwährend Furcht
vor dem Teufel zu machen......"
Dies ein Auszug aus dem Briefe eines schlichten, aber „denkenden Bürgers" an den Pfarrer von Hagenau, den sich auch noch sonst mancher feiste Pfarrherr oder heißspornige Kaplan im Reich hinter die Ohren schreiben könnte. Man sieht, es dämmert auch bei uns in puncto der Religion und