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Noch eine Bemerkung möchte ich vorausschicken. Ein Urtheil über den Staatsmann Schön habe ich früher nicht ausgesprochen, und enthalte mich auch jetzt noch ein solches hier niederzulegen. Objekt meiner gegenwärtigen Betrachtung ist Schön nur als historischer Quellenschriftsteller, als Verfasser eines geschichtlichen Berichtes. Augenscheinlich ist es allerdings, daß im Leben und Wirken Schön's sehr verschiedene Phasen und Stufen unterschieden werden müssen: die großen Jahre 1807 —1813, in welchen Schön für die Neuausrichtung und Befreiung des preußischen Staates mit Herz und Hand und Kopf sich abgemüht; sodann die Periode, in welcher er als Oberpräsident von Westpreußen und später des vereinigten Ost- und Westpreußens die Geschicke dieser Landestheile in verdienstvoller Weise geleitet, oft in abweichender Richtung von dem, was man damals in Berlin beliebte, im Ganzen aber zum Heile der Provinz selbst; zuletzt die Zeit privater Muße und Zurückgezogenheit von amtlichen Geschäften, in welcher Schön, der sehr ungern aus seiner Stellung geschieden, ein außerordentliches Talent zu tadelnder Kritik gegen die Regierung entfaltet. Seine Beiträge zur Geschichte der ersten Periode stammen aus der letzten Phase seiner Charakterentwickelung oder, wie seine Selbstbiographie (wenn meine Berechnung richtig ist, die auf 1838 geführt) aus der Zeit des Ueberganges von dem zweiten in den dritten Abschnitt. Es ist aber nicht uninteressant diese in der Selbstbiographie 1838 vorgetragene Erzählung im Einzelnen zu vergleichen mit dem (wohl später niedergeschriebenen) Urtheile über Stein, (Aus den Papieren Schön's. Anlagen S- 163 — 170) das, als es 18S8 zuerst in den Grenzboten (III. 417 — 424) und darauf in der Augsburger Allgemeinen Zeitung (Nr. 257 Beilage) abgedruckt wurde, den gerechten Unwillen H äusser's (Deutsche Geschichte III. 127) erregt hat, und mit der Skizze, welche 1849 Schön an Rosenkranz adressirte (Gegenwart v. 3. August 1872). Man sieht, wie sich je länger je mehr Schön's Haß gegen seinen einstigen Minister und Chef zu immer lebhafterem Ausdrucke gesteigert hat!
Erwäge ich nun genauer, welche Beweismomente es eigentlich sind, die mein sehr verehrter Gegner gegen mich in's Feld geführt hat, so will es mir scheinen, als ob die ganze Beweisführung in dem Satze gipfele: da Schön sich für den Urheber der zwei wichtigen Erlasse des Gesetzes vom 9. Oktober 1807 und des sog. Testamentes erklärt hat, fragt er, „mit welchem Rechte wird Schön der Glaube für seine Behauptung versagt?" Herr Nasemann bringt selbst nicht einen gleichzeitigen B eweis, welcher Schön's spätere Behauptung bestätigt, sondern er verläßt sich auf Schön's Glaubwürdigkeit, d. h. auf die Ansicht, die er über diese Glaubwürdigkeit hat; und er führt an, „daß seine Ansicht auf einer persönlichen Kenntniß Schön's beruhet und durch ein längeres Zusammensein mit denen, welche ihm einst am nächsten standen, be-