Beitrag 
Vom deutschen Reichstag und vom preußischen Landtag.
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tarische Körperschaften ist uns niemals wohl zu Muthe. Dennoch ist diese Art von Berathungen unvermeidlich, weil die militärischen Einrichtungen viel­fach so tief in das bürgerliche Leben einschneiden. Aber wir sind immer froh, wenn der Gegenstand, über welchen beschlossen wird, mit einem blauen Auge davon kommt. So ist diesmal glücklicherweise der Landsturm davon gekommen. Es handelt sich bei diesem Gesetz, nachdem die frühere 19 jährige preußische Dienstpflicht auf 12 Jahre herabgesetzt worden, darum, die wehrfähigen Männer, welche das dienstpflichtige Alter überschritten, also vom 31. Lebens­jahre an für die Vertheidigung des Vaterlandes im Nothfall verwendbar zu machen. Das Neichsmilitärgesetz, welches im Frühjahr 1874 beschlossen wor­den, hatte die Aufbietung und Organisation des Landsturms dem Kaiser vor­behalten, der Reichstag aber den betreffenden Paragraphen dahin abgeändert, daß über die Fälle der Aufbietung des Landsturms und über die Organisation desselben ein Gesetz bestimmen solle. Das in gegenwärtiger Session dem Reichs­tag vorgelegte Landsturmgesetz ist jenes Gesetz, welches im Reichsmilitärgesetz verheißen worden. Die Reichsregierung durfte mit der Vorlegung desselben nicht zögern, theils weil die letztere ihre, wenn auch an keine bestimmte Zeit gebundene, Obliegenheit war, besonders aber darum nicht, weil Frankreich die Zahl seiner Kriegsdienstpflichtigen durch die lange Ausdehnung der Dienst­zeit so sehr vermehrt hat. Die Opposition gegen das Landsturmgesetz, welche bei der jetzigen Berathung im Reichstag laut wurde, erschien nicht eben logisch von Seite derjenigen, welche das Meiste gethan, die Vorlage eines solchen Gesetzes durch die betreffende Vorschrift im Reichsmilitärgesetz obligatorisch zu machen. Wir gestehen, daß wir die Befugniß der Aufbietung und Organi­sation des Landsturms am liebsten unbeschränkt in der Hand des Kaisers gesehen hätten. Der Fall, wo der Kaiser zum Gebrauch dieser Befugniß sich entschließt, wird immer ein solcher sein, von dem es heißt: inter arma silent Es giebt kaum etwas Müßigeres, als die Besorgniß vor dem Miß­brauch einer Befugniß, deren wirksamer Gebrauch ohne die allgemeinste Ueber­zeugung,, seiner Nothwendigkeit undenkbar ist. Wir haben es in der That auch weniger mit einer solchen Besorgniß, als mit einer Art von gesetzge­berischer und staatsrechtlicher Pedanterie zu thun. Die Opposition gegen das Gesetz aus dem letztgenannten Grunde kam von der Fortschrittspartei, der sich diejenigen Parteien anschlössen, welche gegen Alles Opposition machen, was zum Reiche gehört oder ihm dienlich ist. Man hat nun im § 1 des Gesetzes, welcher die Verpflichtung in den Landsturm zu treten bis zum 42. Lebensjahre erstreckt, außerdem bestimmt, daß der Landsturm nur ausgeboten werden soll, wenn der Feind Theile des Reichsgebietes bedroht oder überzieht. Eine nichts­sagende Bestimmung, denn sie tritt mit jedem Kriegsfall ein. Und doch eine schädliche Bestimmung, denn genau befolgt, würde sie im Wege stehen, den