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Aus der Bastille
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cret. Hier mochte dem König als ritterliches Benehmen gegen seine Person erscheinen, was einfach schlaue Berechnung war; möglich ist es auch, daß schon in beiden Affairen, wie späterhin so oft, weiblicher Einfluß im Spiele war. Was Ketzergeschichten betrifft, so steht der Morin'sche Prozeß fast ver­einzelt da, bildet aber in seinem Verlaufe ein würdiges Vorspiel zu den Dra- gonnaden und Autodafes der Folgezeit. Am vierten März 1662 wurde näm­lich ein gewisser Morin mit seiner Ehefrau, und bald darauf auch seine beiden Söhne, ein Pfarrer und ein Lehrer, Katholiken, in die Bastille gebracht. Die Anklage wurde von einem Mitgliede des höchsten Pariser Collegiums erhoben und lautete auf Kabalen gegen den alleinseligmachenden Glauben. Der An­kläger Desmarets de St. Sorlin habe, so heißt es in der Acte, irgendwo die Bekanntschaft einer Mlle. Malherbe gemacht, die dem leibhaftigen Gott­seibeiuns ehelich angetraut zu sein behauptete, Schlangen und Basilisken zu verspeisen pflegte und sich nach vollzogener Ehescheidung (vom Satan) mit Morin, dem Messias einer neuen Offenbarung eingelassen habe. Morin halte sich für einen Gottgesandten, berufen das neue Babylon zu zerstören, d. h. die römische Kirche und das große Thier der Apokalypse, den Papst, zu ver­nichten. Seine Frau war die Jungfrau Maria. Nun hatte Morin aller­dings schon im Jahre 1647 ein Buch geschrieben, welches voll des unglaub­lichsten Blödsinns war und den Beweis lieferte, daß der Verfasser dieses theo­logischen Wustes ein vollendeter Narr war. Man hatte ihn daher laufen lassen, und nun nach zwanzig Jahren verurtheilte der Pariser Gerichtshof den Unglücklichen auf die Denunciation eines Fanatikers hin zum Feuertode. Es war das erste Urtheil der Art, welches Ludwig unterzeichnete. Aus der reichen Fülle von interessanten Mittheilungen und Aufschlüssen über allge­meine Zustände und einzelne Vorgänge, welche das Bastillenarchiv bietet, und welche die Anschauungen des Königs über Justiz und Verwaltung und die Grenzen der persönlichen Freiheit seiner Unterthanen illustriren, verdienen noch folgende Details hervorgehoben zu werden.

Der Hofintendant Barin wünscht seinen Sohn dem Dienste der Kirche zu weihen. Der weltlich gesinnte Jüngling widersetzt sich aber zum großen Verdrusse des Vaters dem frommen Ansinnen. Da überreicht Letzterer eines Tages dem Widerspenstigen einen Ivttrs äs eaeket und gestattet ihm, in der Bastille über die Folgen kindlicher Unfolgsamkeit heilsame Betrachtungen an­zustellen. Eine Deputation von Stadtverordneten bittet in einer Audienz Se. Majestät kniefällig um Gewährung rosp. Erneuerung gewisser altver­briefter Rechte, wobei die Herren nicht unterlassen in den demüthigsten Aus­drücken ihre Treue und Ergebung zu bezeugen. Der König hört sie huldreich an und ernennt eine Commission behufs gründlicher Untersuchung der Be­schwerdesache. Inzwischen aber wandern die guten Getreuen auf etliche Wochen