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dem Walde vorstoßende, massiv zusammengeballte Fels, den man leicht für die Grundmauer der Burgruinen hält. Aber an ihn hinaufzuklimmen würde Lebensgefahr bringen. Nur ein enger Waldpfad führt auf die rechte Steige. Wir fanden ihn glücklich. Der Eintritt in den alten Burgraum ist überraschend, denn es ist ein weiter, geräumiger Platz, den die verfallenen Mauern umstehen. Die diese einst erbauten und bewohnten, die Herzoge von Teck, hatten vom 12. bis zum 14. Jahrhundert ein ansehnlich Gebiet; dann verfielen sie, und die Geschichte hat von ihnen nichts weiter zu vermelden, als was das Buch der Könige auch schreibt: „und sie begruben sie in das Grab ihrer Väter in der Stadt David." Die „Stadt David" wäre aber in dem Fall das Städchen Owen, in dessen Kirche jene Herzöge ihrer Urständ entgegenschlummern, und an das man von der einen Seite der Burg niedersieht; — in das reizende Thal, das da ganz unter einem liegt, eine verlockende Perspektive für weitere Wanderung. — Auf der anderen Seite der Ruine bietet der Blick ins fernere Neidlinger Thal ein ganz anderes Bild: bizarre Kalksteinformationen, hintereinandergeschobene Hügel, dadurch nur wie verstohlen zu Gesicht kommende Thalöffnungen und in diesen wieder allerlei Burgen mit Ritterromantik und Sagenspuck. Und zwischen diesen beiden, zur Rechten und Linken der Teck gestellten Landschaftscoulissen war nun ein gutes Stück offenes Würtemberger Land vor uns ausgebreitet, aus dem das Fernrohr des Försters, der zur Reisezeit auf der Teck ab und zugeht, bald dies, bald jenes, bis zum Mausoleum auf dem Rothenberg bei Stuttgart, heranzog. Es war ein Glück, daß wir diesen edlen Grünrock gerade auf seiner Filiale fanden, fast weniger um seines Fern-, als eines andern Glases willen, das er mit der dazu gehörigen Weinflasche in einem kühlen Kellerchen verborgen hält und auf Verlangen dem müden Wandrer kredenzt. Mit bloßer Gegend kommt man schlecht aus. Aber im guten Schwabenland braucht man nicht lang zu hungern oder zu dürsten. Gibt's sogar in alten Burgtrümmern etwas anderes Trinkbares, als „schlecht Wasser", wie's im Katechismus heißt, so fehlt's noch weniger auf anderen Wegen und Stegen an allerlei trostreichen Zeichen, die fast ohne Ausnahme zu guter Herberg weisen. Solche ward uns auch in der Post zu Owen. Ein forellenreiches, lichtklares Flüßchen rauscht durch das Lenninger Thal. Seiner edlen Bewohner etliche standen wohlbereitet auf unserm Mittagstisch. Dann gingen wir sein User selbst entlang.
Grenzboten IV. 1874.
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