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eine bedeutende Zahl von Gerichtsmitgliedern voraus und man müßte Tribunale, die Alles in Allem, aus der Minimalzahl von 3 Richtern zu gleichzeitiger Verwendung im Civil- und Strafsenat bestehen, unzweifelhaft nur als Carrikaturen des vom Gesetze vorgezeichneten Bildes ansehen. Sie würden wegen ihres allzukleinlichen Zuschnittes den größeren Oberlandesgerichten, welchen schon die Zahl ihrer Mitglieder eine bedeutende Summe von Jntelli- genz verbürgt, wo in Folge öftern Hinzutretens junger Kräfte stets ein reges wissenschaftliches Leben Pulsiren wird, nicht als ebenbürtig betrachtet werden, überdies könnten sie mit dem besten Willen schwerlich ihrer hohen Aufgabe gerecht werden und würden die Bevölkerung — auch über die Landesgrenze hinaus — durch die Unzulänglichkeit ihrer Rechtssprüche benachtheiligen.
Bei der Umschau nach Mitteln, mit welchen sich derartigen Uebelständen begegnen ließe, muß es befremden, daß sich solche weder in der Reichsverfassung, noch in dem Entwürfe des Gerichtsverfassungsgesetzes angedeutet finden, wiewohl schon die frühere Bundesakte in Art. 12 bei ähnlichen Voraussetzungen gewisse Vorschriften im Interesse des allgemeinen Rechtsschutzes für nöthig erachtet hatte. Letztere beschränken sich zwar auf die Anordnung oberster Gerichtshöfe für kleinere Staaten; geben aber doch insofern einen Fingerzeig, als sie denjenigen Bundesgliedern, deren Besitzungen nicht eine Volkszahl von 300,000 Seelen erreichte, die selbständige Ausübung der Rechtspflege in höchster Instanz regelmäßig nicht gestatten und im Allgemeinen auf die Vereinigung der Kleinstaaten zur Bildung gemeinschaftlicher oberster Gerichtshöfe hinweisen.
Ueber etwaige Schritte, welche gegenwärtig von den Regierungen kleinerer Reichsländer zur Herbeiführung einer Gerichtsgemeinschaft beabsichtigt sind, verlautet Nichts, desto geschäftiger zeigt sich aber die Presse, und vorzugsweise sind es die Thüringischen Staaten, in welchen man mit bestimmten Ansichten und Vorschlägen in jener Richtung hervorgetreten ist.
Soweit wir dieselben haben verfolgen können, lassen sie sich etwa dahin zusammenfassen:
1. Anschluß der kleineren Staaten — eines jeden für sich — an einen großen Nachbarstaat, jedoch nur zur Herstellung des Oberlandesgerichts und unter Wahrung voller Selbständigkeit bezüglich der untergeordneten Gerichtsbehörden. Dieser Weg setzt immer eine gewisse Bedeutung des kleineren Staates voraus, welche die Bildung eines Landesgerichts von nicht allzu minutiöser Beschaffenheit überhaupt zuläßt, würde also von den Ländern geringsten Umfanges nicht wohl eingeschlagen werden können. Ueberdies wird dagegen eingewendet, daß eine solche Unterstellung des kleinern Staates die Lahmlegung seiner Justizhoheit in wesentlichen Punkten herbeiführen müsse, ohne daß ihm eine Mitwirkung bei der Jnspection und der Geschäftsführung des betreffenden