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Italienische Reisebilder : 2. Mailand.
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und jener beiden, die dann der römische Bannstrahl traf: Heinrich's IV. und Ludwig's des Baiern. Goldene Schätze und werthvolle Alterthümer füllen auch hier die Kirche, aber ihr höchster Schatz bleibt doch ihre Geschichte.

Der Ruhm, den Maria delle Grazie besitzt, ruht in dem berühmten Abendmahl des Leonardo da Vinci, das sich indessen nicht in der Kirche selbst, sondern in den dazu gehörigen Klosterräumen befindet. Die wundersame Lei­densgeschichte des Bildes und die erhabenen Gestalten desselben sind heutzu­tage Allen bekannt, auch denen, die niemals Italien besucht, aber trotz aller Verwüstung ist der Eindruck, den das Original gewährt, noch immer uner­reichbar.

Im Waffenrock und in der Kutte zog die barbarische Zeit dagegen zu Felde, aber soviel sie auch davon hinweggetilgt, die Spur geweihter Größe vermochte sie nicht zu tilgen, und diese wird übrig bleiben, so lange noch eine Linie sichtbar ist.

Am Abend, wenn durch ganz Italien hin ein lärmendes Treiben erwacht da pochen auch in Mailand die Pulse des Lebens schneller. Dann kommt überall ein großes Wort zu Recht, das wir bisher noch kaum genannt und das doch für Italien die höchste Bedeutung hat, wir meinen das Theater. Freilich ist es weit weniger ein Kunstgenuß, dem man andächtig lauscht, son­dern der Zauber der Geselligkeit, dem man sich lärmend hingibt, aber wie dem auch sei, der Schauspieler und Sänger bleibt doch in diesem Lande ein unentbehrliches Element. Und das fühlen sie auch selbst viel mehr, als die vornehme Gleichgültigkeit, womit das Publikum ihre Leistungen überplaudert, ihr Stolz liegt nicht darin, daß man sie andächtig anhört, sondern darin, daß man sie nie vermissen kann. Als Venedig allein noch ausgeschlossen aus der Iwlig. uns. war, da stand sein berühmtes ^'eatrv Genies still und dieß Schwei­gen war der beredteste Protest gegen den Gang der Weltgeschichte.

Dieß Selbstbewußtsein geht durch alle Kreise der italienischen Bühne und selbst der letzte Statist nimmt einen Theil von jener Bedeutung in Anspruch, welche die ersten Künstler für Italien besitzen. Es ist mir unvergeßlich, wie ich auf dem Bahnhof einer kleinen Stadt zwei Gestalten begegnete, die pathe­tisch auf und niederschritten und durch ihr Mienenspiel die Neugier fesselten. Noch schmutziger und zerrissener als die Kleider des Mannes waren die seiner Frau, der die grauen Locken ungekämmt in die Stirne hingen; stark an He- kuba gemahnend.Ihr seid wohl Bänkelsänger." wollte ich eben fragen (c>ie Hand schon in der Tasche), aber der Mann kam mit der Antwort zuvor: gig-ino iU'tiöti älÄinatioi." Und dabei machte er eine Geberde, wie sie Talma nie kühner machte; Hekuva aber maß mich mit einem Blicke, wie ich kaum an der Ristori gesehen.

Das Eldorado aber aller italischen Künstler, die hohe Schule ihres