Beitrag 
Italienische Reisebilder : 2. Mailand.
Seite
146
Einzelbild herunterladen
 

i4K

seiner Gesammtheit und doch fast duftig leicht in allen einzelnen Theilen. Ueberall ist die breite Fläche durchbrochen, überall tritt der Drang hervor, die schweren Massen zu entlasten und in luftige Höhen emporzusteigen^, es ist eine Mischung von Weihe und Phantasie, von versteinerter Kraft und flüch­tigem Spiele, wie sie kein anderes Bauwerk der Welt besitzt.

Stumm und staunend standen wir an der Via Oapellari, bis mich ein Italiener, der uns lange zugesehen, beim Arm ergriff und mit schwungvoller Geberde sprach:Leov eiö, eke pvtsvs, il 1386."

Damals nämlich wurde der Dom von Mailand durch Johann Galeazzo Visconti begonnen und, wenn es auch noch vieler Jahre, ja der Jahrhunderte bedürfte, bis er vollendet war, wenn auch die Hände aller Nationen an die­sem Meisterstück der Menschheit mitgewirkt, der Ruhm des Gedankens gebührt doch jener fernen Zeit.

Mit innerer Spannung steigen wir über die breiten Marmorstufen em­por, die sich vor den fünf Portalen der Facade ausbreiten. Ein Blinder auf den Pfeiler gelehnt, murmelt mit dumpfer StimmennserieortZia, xsr nn eieeo", verwahrloste Kinder, die auf den Treppen lungern, spielen, rufen uns zu ,,uri' soläv, signoi-, un' Lolllo" und strecken die Hände aus: mit listi­ger Miene tritt ein Führer heran, der uns schon seit der Ecke gefolgt war, und raunt uns ins Ohr:I^a, 0Attödrg,1ö, KiAnoi-, un guiäg. per 1s, oatteärals"I

Das sind die Hindernisse, die in Italien jede Schwelle belagern; doch mit einigen ceuteslmi und mit beredten Fingern befreit man sich leicht, man darf nur nicht viele Worte verlieren, sonst hat man Verlornes Spiel.

Das Mitrelport.rl wird nicht durch eine knarrende Thüre, sondern durch einen ungeheuren Vorhmg von der Straße getrennt, man schiebt ihn langsam bei Seite und nun umfängt uns die gigantische Halle mit ihrer heiligen Dämmerung, mit ihren himmelhohen Säulen, mit jenen geheimniß­vollen Lauten, die sich fast ebenso wundersam brechen und dämpfen wie das Licht.

An einem fernen Seitenaltar tönt die feine silberne Klingel, die zur Wandlung, ruft, und mit verhülltem Antlitz sinkt die Matrone ins Knie, der Priester im Chorhemd, der eben aus der Sakristei getreten, von 2 Knaben gefolgt, hält stille und pocht sich an die Brust. Dort in der Nische, vor dem vergitterten Beichtstuhl, kniet ein Mädchen im schwarzen Gewand, das Antlitz glühend wie Scharlach und die leuchtenden Augen emporgerichtet; sie ist der Welt entrückt, sie sieht und hört nicht mehr, daß sie fast laut ihre Sünden bekennt, die Sünden der schönen Franceska da Rimini!^1 tsmpc» 6ei (Zolei svLxn'ri ...."*)

') v-mtö Äivw» c?omm«a>» V, 40.