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Zur Suezkanalfrage.
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worben; sie hat ungeheuere Kapitalien geopfert; ihr Vertrauen war bisher unbesiegbar, obgleich sie bis jetzt noch keine Dividenden erndtete und die Welt will sie damit belohnen, daß sie ihr Maaßregeln oktroyirt, welche nach der Ansicht des genialen Leiters des großen Unternehmens nothwendig zum Ruine der Gesellschaft führen müssen? Gewiß, dem Sultan gebührt das Recht, die Koncessionsbedingungen nach dem Urtheil seiner Rathgeber aus­zulegen, mit welchem Rechtsgrundsatze ist es aber vereinbar, daß sich die Welt die Opfer, den Unternehmungsgeist einiger verdienstvollen Leute ohne entsprechende Gegenleistung zu Diensten macht? Die Gebühren mögen drückend sein, ist der Weg um das Kap aber nicht noch viel kostspieliger?

Die Entfernung von London und Bombay auf dem Kapwege beträgt 11,220 Seemeilen, via Suez nur 6332 Seemeilen. Die Differenz erreicht also die Zahl von 4888 Meilen oder 24 Tage! Für Trieft beträgt die Ab­kürzung aber gar 37 Tage!

Eingedenk dieser Bortheile, welche dem Seeverkehre der größten See­macht der Welt aus dem Suezkanal erwuchs, ist es um so tadelnswerther, daß sich die gesammte englische Presse gegen die Interessen der Gesellschaft ausspricht. Freilich überraschend ist es nicht! Es war französisches und österreichisches Kapital, es waren die unermüdlichen Anstrengungen der Regierungen dieser beiden Länder, welche die Ausführung des schon vor Jahrtausenden geplanten Werkes endlich, endlich ermöglichten. Hatte der Kanal von Suez schon die Gedanken eines Sesostris, Necho, Darius, Ptole- mäus Philadelphus und Amru, dann eines Mustapha, des Freundes Friedrich's des Großen, und Napoleon's erfüllt, wurde trotz aller Enttäuschungen das so sehnlich erwartete Ziel dennoch erreicht. so waren es wahrlich nicht die Engländer, welche die Wege dazu gebahnt haben. In der Furcht, das Monopol des ostindischen Handels zu verlieren, wandte die englische Re­gierung all ihren Einfluß daran, das kühne Project zum Scheitern zu bringen. Ja, es gelang ihr durch die eindringliche Vorstellung, daß der Kanal nur deshalb geplant sei, um Aegypten in dauernde Abhängigkeit von Frankreich zu bringen, wirklich, die Pforte zu dem in der Geschichte des Kanalbaues unvergeßlichen Schritte zu bewegen, durch ein Dekret die Einstellung der Kanalarbeiten anzuordnen.

Die Folgen dieses Dekretes waren nur vorübergehend. Der Suezkanal wurde am 16. November 1869 unter Beisein des Kaisers von Oesterreich, der Kaiserin von Frankreich, des Kronprinzen von Preußen, des Prinzen Heinrich der Niederlande, der Scheikhs und Scherifs vom Rothen Meere, und vieler Notabeln Europas, vieler Araber, Hindus und Chinesen eröffnet! Auch England hatte seit jenem Tage zu erkennen Gelegenheit, daß der neue Ver­kehrsweg nicht seinen Interessen zuwider lief.