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stellung in keinem anderen Zusammenhange stehen als dem, daß sie eben aus der Zeit stammen, bei der die Erzählung gerade angelangt ist. Da hilft sich dann die Verfasserin, äußerlich genug, durch Wendungen, wie: „Ich finde in meinen Notizen folgende Angabe" oder „Ich füge hier folgenden Brief ein" und ähnliches. Ueberhaupt nimmt dieser „verbindende Text" sich manchmal herzlich unbeholfen aus. Eine Stelle, wie die folgende z. B., in der drei Sätze hinter einander mit demselben Subjecte anfangen: „Sie erreichten Paris am Abend des dritten Tages, nachdem sie zwei Nächte unterwegs geschlafen hatten. Sie reisten, um Ausgaben zu vermeiden, ohne alle männliche oder weibliche Bedienung. George und seine Gattin beabsichtigten nur eine Woche in Paris zu bleiben" klingt wirklich wie der erste schüchterne Versuch einer Stilübung. Ferner wäre zu berücksichtigen gewesen, daß vieles in dem Buche nur für englische Leser bestimmt ist. Eine Menge von Personen werden vorgeführt, eine Menge Oertlichkeiten genannt, die in Deutschland kein Mensch kennt, und sie werden eben nichts als vorgeführt, es wird uns keinerlei Interesse für sie eingeflößt. Ebenso wird in den mitgetheilten Schriftstücken nicht selten auf Personen, Vorfälle oder litterarische Erscheinungen angespielt, bei denen der deutsche Leser schlechterdings wenigstens ein Wort der Erläuterung erwartet. Endlich aber — und das ist der Hauptgrund, weshalb eine Bearbeitung vor einer Uebcrsetzung den Vorzug verdient hätte — ist der eigentliche Kern des Buches, das Leben Grote's, unter einem unsäglichen Ballast der untergeordnetsten Kleinigkeiten förmlich begraben. Man sagt, in England könne kein Landpfarrer sterben, ohne daß sofort nach seinem Tode sich irgend einer hinsetze und eine dicke Biographie des seligen Biedermannes schreibe. Von einer solchen Landpfarrerbiographie mag wohl jedes biographische Werk der Engländer etwas an sich haben: das ermüdende Verweilen bei Erlebnissen, denen alles Charakteristische fehlt, die jeder andere auch erleben kann, und die nur für die allernächsten Freunde des Betreffenden Interesse haben können; und dies wird um so mehr der Fall sein, wenn, wie z. B. bei Dickens, der Autor der Biographie ein intimer Freund, oder, wie im vorliegenden Falle, gar die Frau des Verstorbenen ist. Harnet hing an ihrem Manne mit zärtlicher Liebe und mit strahlendem Stolze; von seinen Briefen sagt sie einmal, man könne auf sie anwenden, was de Burigny von den Briefen des Hugo Grotius sage: „Sie können wie Werke betrachtet werden. Die Sammlung, die wir von ihnen besitzen, ist ein Schatz, nicht allein für die allgemeine, sondern auch für die Litteraturgeschichte" — angesichts der mitgetheilten Proben unläugbar eine Uebertreibung. Während sie in der ersten Hälfte ihres Buches immer von „Mr. George Grote" spricht, nennt sie ihn in den späteren Partieen mit Vorliebe: „der Historiker", „der Vicekanzler", ein paar mal sogar „mein berühmter Gatte". Durch langjährige gemeinsame Geistes-