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Vom deutschen Reichtstag und vom preußischen Landtag.
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Amt durch Handlungen zu beanspruchen. Der Aberkennung des deutschen Staatsbürgerrechtes kann eine Jnternirung vorausgehen, welche die Landes­polizeibehörde zu verfügen befugt ist; die Entziehung des Staatsbürgerrechtes kann nur die Centralbehörde des Heimathstaates aussprechen.

Man hat sich viel Mühe gegeben auch von Seiten der Vertreter des Bundesrathes, diese Entziehung des Staatsbürgerrechtes nicht als eine straf­rechtliche, wie man sich ausgedrückt hat, sondern als eine staatsrechtliche dar­zustellen. Man hat durch diese Feinheit den Grundsatz der modernen Staaten aufrecht erhalten wollen, daß kein Bürger sein Vaterland verlieren kann, außer indem er sich selbst zugleich dem Boden und den Gesetzen des Vater­landes entzieht. Man hat nachzuweisen gesucht, daß Geistliche, die sich einem gerichtlichen Urtheil nicht unterwerfen, sich den Gesetzen des Vater­landes entziehen. Wenn sie aber nicht entfliehen, sondern ins Gefängniß wandern, so entziehen sie sich eigentlich nicht dem Gesetz, sondern wählen sich nur die ihnen zusagende Art der Application des Gesetzes. Wir möchten daher auf diese sogenannte staatsrechtliche Logik kein Gewicht legen, die sich keines­wegs als unzweifelhaft darstellt. Das Richtige ist vielmehr, daß hier allerdings eine Strafart wieder eingeführt worden ist, die man sich gewöhnt hatte, für unanwendbar anzusehen. Dies letztere war aber ein Irrthum. Die Strafe der Landesverweisung ist unanwendbar nicht durch die Rücksicht auf die Ver­brecher, sondern durch die Rücksicht auf die Mitgenossen der civilisirten Staa­tenwelt, welche mit Recht verlangen, daß jeder Staat durch seine eignen Mittel mit seinen Verbrechern fertig werde, nicht aber durch das für ihn bequeme, für die andern Glieder der Staatenfamilie gefährliche und lästige Mittel der Ausstoßung. Von diesem Grundsatz macht nun aber die civilisirte Staaten­welt eine Ausnahme zu Gunsten der politischen Verbrecher. Für diese wird allgemein das Asylrecht geübt, denn man betrachtet sie nicht als Feinde der Gesellschaft, nicht des Feindes des Rechts als solchen, sondern gewissermaßen als unterlegene Partei in einem Prozeß, dessen Urtheil der asylgebende Staat nicht zu sprechen den Beruf hat. Genau auf dieselbe Stufe will das deutsche Reich die Glieder der römischen Hierarchie stellen, die sich seinen Gesetzen durch­aus nicht unterwerfen. Sie sollen nicht als gemeine Verbrecher behandelt werden, nicht als Leugner aller Grundlagen des Rechts, sondern als Leugner einer bestimmten Grundlage, von der sie ausgeschlossen werden müssen, ohne darum allerwärts gemeingefährlich zu sein. So viel zum allgemeinen Ver­ständniß dieses Gesetzes, dessen erster Paragraph eine Stufe schlechter Redaktion und mangelhaften Ausdrucks erreicht hat das Werk einer freien Commission, die sich zur Amendirung der Regierungsvorlage gebildet unter die hoffentlich kein Reichsgesetz noch herabsinkt, weil ein Tiefersinken in der That unmöglich scheint.