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Der Kaufmann von Venedig.
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Äv

Den Fürsten auf dem Thron mehr wie die Krone. Das Zepter zeigt die weltliche Gewalt, Das Attribut der Würd' und Majestät, Worin die Furcht und Scheu der Kön'ge sitzt; Doch Gnad' ist über diese Sceptermacht, Sie thronet in dem Herzen der Monarchen, Sie ist ein Attribut der Gottheit selbst; Und ird'sche Macht kommt göttlicher am nächsten, Wenn Gnade bei dem Recht steht; darum, Jude, Suchst du um Recht schon an, erwäge dieß: Daß nach dem Lauf des Rechtes unser keiner Zum Heile käm'; wir beten all' um Gnade, Und dieß Gebet muß uns der Gnade Thaten Auch üben lehren."

Aber Shylock's Herz bleibt hart. Er steht auf seinem Schein, er fordert sein Recht, die volle Strenge des Gesetzes. Sie soll ihm werden.

. . weil du dringst auf Recht, so sei gewiß, Recht soll dir werden, mehr als du begehrst," ruft ihm Porzia zu. Und so fällt denn der tödtende Buchstabe nicht auf das Haupt Antonio's, sondern Shylock's. Porzia's Urtheilspruch bringt Shylvck gegenüber, der sich auf das Recht des Buchstabens und nur auf dieses be­rufen hat, dieses und nur dieses zur vollsten Geltung. Schlag auf Schlag trifft Verderben und Vernichtung den hartherzigen Shylock. Und eben der Buchstabe des Gesetzes ist es, von dem sie ausgehen.

Der Schein hier so lautet das erste Urtheil giebt dir nicht ein

Tröpfchen Mut, Die Worte sind ausdrücklich ein Pfund Fleisch. Nimm denn den Schein, und nimm du dein Pfund Fleisch: Allein vergießest du, indem du's abschneidst, Nur einen Tropfen Christenblut, so fällt, Dein Hab und Gut nach dem Gesetz Venedigs, Dem Staat Venedigs heim."

Und doch, noch ist der Kelch nicht völlig geleert, den Porzia's Urtheils- spruch Shylock reicht, ein bittrer Tropfen ruht noch in seinem Grunde: Das Recht hat andern Anspruch noch an dich. Es wird verfügt in dem Gesetz Venedigs, Wenn man es einem Fremdling dargethan, Daß er durch Umweg oder grade zu Dem Leben eines Bürgers nachgestellt, Soll die Person, auf die sein Anschlag geht, Die Hälfte seiner Güter an sich ziehn, Die andre Hälfte fällt dem Schatz anheim, Und an des Dogen Gnade hängt das Leben