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den. Man sah darin eine vom fortschrittlichen Standpunkt unzulässige Schonung der Kirche, wenn der Staat denen, welche die kirchlichen Akte noch begehren, doppelte Gebühren aufzulegen vermeidet. Am Schluß der Verhandlungen kam dasselbe Verhältniß in anderer Weise zur Sprache, als von einigen Seiten die Entschädigung der Geistlichen für die ihnen etwa durch die neue Einrichtung entgehenden Gebühren in Anregung gebracht wurde. Ein desfallsiger Beschluß wurde von anzustellenden Ermittlungen abhängig gemacht. Man schien den pekuniären Schaden der Kirche, deren Unterhaltungsquellen so spärlich versorgt sind, daß sie wahrlich eine auch nur geringe Schmälerung nicht ertragen können, auf den meisten Seiten für zweifelhaft anzusehen oder doch gering anzuschlagen. Die Erfahrung wird sprechen. Aber wie sie auch spricht, die richtige Gestaltung dieses Verhältnisses liegt in seiner Umkehrung, darin nämlich, für die bürgerlichen Standesakte Gebühren zu fordern, die Kirche aber durch eine angemessene Dotation der Nothwendigkeit zu entheben, ihrerseits Gebühren zu fordern.
Der Entwurf einer neuen Provinzialordnung für die Provinzen der neuen Kreisordnung wurde einer Commission von 21 Mitgliedern überwiesen.
Eine Beleuchtung der aus bekanntem Munde geübten Kritik über die Verwendung der im Staatshaushalt für allgemeine politische Zwecke angewiesenen Gelder ersparen wir uns für diesmal. Die Frage über, die zweckmäßige Betheiligung der Regierung an der politischen Presse und deren Meinungskämpsen verdient sehr wohl eine eingehende Behandlung bei einer Gelegenheit, die in der erwähnten Kritik nicht zu finden ist.
Der Gesetzentwurf über die Vereinigung des Oberappellationsgerichtes für die neuen Provinzen mit dem Obertribunal wird zur Einzelberathung an das gesammte Haus gewiesen, ohne Vorberathung durch eine Commission, dagegen der Antrag Friedenthal auf Ausdehnung der neuen Kreisordnung auf die Provinz Posen unter gewissen Modifikationen an eine Commission von 21 Mitglieder. Der von Miquel bei Berathung der Ausgaben und Einnahmen der Staatsdomänen gestellte Antrag, auf Benutzung der Staatsdomänen in geeigneten Fällen zur Stärkung des kleineren und mittleren Grundbesitzes durch angemessene Veräußerung oder Verpachtung in Parzellen, unter Vermeidung des Mittels neuer Ansiedlungen. wird unter Zustimmung der Regierung beinahe einstimmig angenommen. — Die Berathung der Ausgaben für das landwirtschaftliche Ministerium gab unter anderem zu einem Tadel der Wahl des Grundstückes für das neu zu errichtende Gebäude eines landwirthschaftlichen Museums Anlaß, weil einige Abgeordnete das gewählte Grundstück für die Universität reserviren wollten. Dabei ließ sich über die Zerstreuung der akademischen Anstalten wirksamst